Deutsches Creepypasta Wiki
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Englische Version: The Scholarship (Asylum Series)


Nachdem ich die Akten einiger Patienten gelesen habe, fange ich langsam an, mir Sorgen zu machen. Ich habe den Eindruck, dass es hier eine Art Muster gibt, aber ich kann es noch nicht ganz beschreiben. Vor allem beunruhigen mich die Aussagen des letzten Patienten, dass er geschockt oder misshandelt worden sei. Wir machen hier aber gar keine Schocktherapie.

Die Schocktherapie wäre tatsächlich eine mögliche Behandlung ernster Depressionen, bei denen der Patient nicht reagiert. Die hat er auch, aber … wir machen hier sowas nicht.

Als ich mich letzte Nacht wieder durch Akten gewühlt habe, ist mir das Transkript einer jungen Patientin besonders aufgefallen. Ich bin mir sicher, dass das ins Szenario passt, das ich mir vorstelle, ich weiß bloß nicht, wie …


Dieses Geräusch – kann ich was davon haben?

Vom Kaffee?

Kommen Sie schon, es ist nur Kaffee!

Geben Sie her!

Okay, ich erzähl's euch – das ist kein Trick, versprochen?

Wo soll ich anfangen?

OK. Um ehrlich zu sein, es war im Unterricht.

Ja, im Unterricht. Ihr findet es wohl merkwürdig, dass eine wie ich ins College geht, was, [Kraftausdruck]? Das war wirklich der Anfang vom Ende.

Meine Familie ist nicht gerade reich, aber das überrascht euch wohl nicht. Wir sind aber auch keine illegalen Einwanderer, nur neu im Land und nicht gut dran. Ich war die erste in meiner Familie, die auf ein gutes College gekommen ist. Meine ältere Schwester hängt in der High School rum, aber ich hab mich halb zu Tode gearbeitet. Ich hab mir gedacht, wenn ich erst mal drin bin, ist das ein Spaziergang. Ganz entspannt.

Dann bin ich wirklich reingekommen.

Alle um mich rum kamen mir so unreif und dumm vor. Statt zu lernen, haben sie die ganze Zeit Party gemacht. Keine Hausaufgaben, gar nichts. Die Hälfte von ihnen ist nicht mal im Unterricht aufgetaucht. Die Football-Spieler haben nicht mal die Klausur gemacht. Ich hab's nicht kapiert. Hatten die überhaupt eine Idee, was das College kostet?

Meine Eltern haben mich nach den ersten drei Monaten angerufen. Ich hatte so viele Kurse belegt wie möglich, weil ich mit dem, was die Familie beisteuerte und meinen Stipendien nur drei Jahre lang auskam. Ich musste in drei Jahren fertig werden, das war zumindest der Plan.

Sie haben gesagt, dass meine Großmutter krank sei und dass sie das Geld lieber für die Behandlung verwenden wollten. Fein, sagte ich, ich liebe Oma.

Ich hab mich da wohl ein bisschen verkalkulliert. Ich dachte, ich bekomme noch ein paar zusätzliche Stipendien. Vielleicht konnte ich ja dafür sorgen. Oder ich nahm einen Studentenkredit auf. Allerdings hatte ich Angst vor den Schulden – ich würde das niemals abarbeiten können, was die verlangten. Meine Eltern sagten immer, dass wir nicht hergekommen sind, um wieder mittellos dazustehen.

Ungefähr einen Monat, bevor das Semester zu Ende war, bekam ich eine E-Mail über ein Stipendium, die meine Aufmerksamkeit erregt hat. Ich dachte, dass alle meine Probleme gelöst wären – das war ein Vollstipendium!

Aber die Deadline, um einen Essay einzureichen war der nächste Tag. Kein Problem, dachte ich mir. Ich hatte eine Prüfung und vier Kurse mit massig Hausaufgaben, aber das würde ich schon schaffen. Das war wichtig.

Also trank ich Kaffee, blieb lang auf und nickte dann um fünf Uhr morgens ein. Tags darauf war ich müde und unkonzentriert und tat mich mit der Prüfung etwas schwerer als ich dachte, aber ich hab sie geschafft.

Ich habe auch eine Antwort auf meine Einsendung der letzten Nacht bekommen. Mein Aufsatz ist gut angekommen! Ich war so glücklich – bis ich gelesen habe, dass ich nur in der nächsten Runde war. Die nächste Stufe erforderte eine Tiefenanalyse einer Industrie – dreißig Seiten! Und sie war in ein paar Tagen fällig! Hatte da irgendjemand ein paar Monate Vorlauf oder hatten die anderen gar alle Zeit der Welt für die Arbeit?

Weil ich damit ohnehin schon beschäftigt war, hab ich die Studentenkreditindustrie als Thema gewählt. Das war vielleicht keine so gute Idee, alles was ich da gelernt habe, war, wie geliefert ich sein würde, wenn ich dieses Stipendium nicht bekäme. Einhunderttausend Doller oder mehr für drei oder vier Jahre … und keine Rechte, kein Bankrott, kein Schutz … das war viel schlimmer als ein Handel mit einem Kredithai und aus meiner Nachbarschaft wusste ich, wie schlimm die Kredithaie waren.

Ich hab ganz viel Kaffee getrunken. Ein Nachbar im Wohnheim gab mir ein paar Pillen, aber ich hab mich damit nicht gut gefühlt und ließ sie in meinem Rucksack. Ich hab die nächsten Tage vielleicht drei Stunden Schlaf pro Nacht bekommen und mich durch meine vielen Klassen, Hausaufgaben und Tests gekämpft. Ich wusste, dass meine Leistungen nachließen, aber ein paar Tage würden meine Noten schon nicht ruinieren. Dieses Stipendium war wichtig.

Ich war an meinen Grenzen, als ich diesen verdammten Aufsatz einreichte. Ausgebrannt, erschöpft und total fertig von einer Woche auf Kaffee und ohne Schlaf.

Ich hab in dieser Nacht schrecklich geschlafen, aber es hat meinem gepeinigten Körper trotzdem gut getan.

Als ich aufwachte, erwartete mich eine E-Mail, die mir dazu gratulierte, dass ich eine von fünf übrig gebliebenen Kandidatinnen aus diesem Land war. Ich verstand das nicht – hatten die alle Dreißig-Seiten-Aufsätze über Nacht durchgelesen? Oder hat es sonst niemand geschafft, seinen Aufsatz rechtzeitig einzureichen? Vielleicht war's das – vielleicht gab es nur fünf Aufsätze, weil für die anderen die Zeit nicht gereicht hat …

Sie wollten einen Aufsatz auf Absolventenniveau in zwei Wochen.

Ich war den ganzen Tag wie betäubt. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie viel Arbeit ich noch in dieses Vollstipendium stecken würde und es ging langsam ins Finale. Ich glaube, ich wäre fast weinend zusammengebrochen, als mir einfiel, dass ich noch eine Bekannte im Magisterstudiengang hatte.

Sie sagte zu, sich mit mir zu treffen und half mir dabei, herauszufinden, was genau ich zu tun hatte. Sie arbeitete schon seit einem Jahr an ihrem Aufsatz und war etwas skeptisch über den Stipendienwettbewerb, an dem ich teilnahm, aber sie sagte: »Häng dich da besser rein, du willst nicht so enden wie ich. Ich hab so viele Kredite, ich weiß nicht, wann ich die jemals abbezahlt haben werde.«

Ich kämpfte mit der Fassung, als ich antwortete. Was, wenn ich nicht in zwei Wochen diese Abschlussarbeit schaffe, muss ich für den Rest meines Lebens mit riesigen Schulden kämpfen?

Die Pillen im meinem Rucksack machten plötzlich Sinn.

Sie machten es eigentlich recht leicht.

Ich ging zur Schule, lernte für die Abschlussprüfung und schrieb an meiner Arbeit. Ich konnte alles tun.

Alles außer schlafen.

Mit den Pillen und dem Kaffee fühlte ich mich schrecklich, aber ich war wach – und vierundzwanzig Stunden am Tag arbeiten zu können, war alles, was mich interessierte. Ich musste dieses Stipendium bekommen, unbedingt.

Ich dachte, ich könnte die Deadline wirklich schaffen, aber nach einer Woche begann mein Körper schlapp zu machen. Ich hatte schon seit eineinhalb Wochen kaum noch geschlafen und in den letzten sechs Tagen gar nicht mehr … aber ich musste noch eine Woche durchhalten.

Ich ging zu meinem Nachbarn und fragte ihn nach noch mehr Pillen. Er war krank und schniefte und mit ihm zu reden erfüllte mich mit Ekel. Er sah so widerlich aus, voller Rotz und Speichel und seine Augen waren riesig … ich nahm die Pillen und sah zu, dass ich da wegkam.

Erst verdoppelte ich die Dosis, dann verdreifachte ich sie.

Ich erreichte eine seltsame Ebene aus schmerzhafter Wahrnehmung und erzwungener Energie, die mich dazu antrieb, die nächste Woche strikt durchzuarbeiten. Ich wusste, dass das, was ich tat, gefährlich war, aber ich musste es tun. Das würde es wert sein. Ich würde dieses Stipendium gewinnen, das wusste ich.

Am Tag vor der Deadline war es vorbei.

Ich starrte den riesigen Aufsatz an, den ich geschrieben hatte. Da fehlten nur noch ein paar Seiten, und zwar die wichtigsten, die Zusammenfassung. Ich bekam sie einfach nicht zusammen. Mir fielen die richtigen Worte nicht ein, ich wusste nichts zu tippen. Ich blinzelte ein paar Mal im Versuch, meine Gedanken zu sortieren.

Ich saß in der Bibliothek an meinem Laptop. Ich sah mich in müder Verwirrung um. Mein Schlafsaal, die Bibliothek und der Unterricht vermischten sich in meiner Wahrnehmung der letzten schlaflosen Tage.

Es war Nacht, in der Bibliothek war es ruhig. Neben der schwer atmenden Erschöpfung, die jede meiner Bewegungen begleitete, hatte ich ein ungutes Gefühl.

Mein eigener Atem röchelte und hallte in meinem Kopf wider. Bisher hatte ich mich dran gewöhnt, aber jetzt, mitten in der Nacht, allein in der Bibliothek, hörte ich noch jemanden atmen. Ich packte vorsichtig mein Laptop und die Bücher ein, wobei ich so leise blieb wie ich konnte. Ich sah nichts Ungewöhnliches, aber ich hatte diese Vermutung, dass ich hier unbedingt rausmusste.

Ich schlich mich hinter den Stapeln vorbei, damit ich nicht gesehen wurde.

Nach vier Reihen hörte ich ein nasses, organisches, klatschendes Geräusch.

Meine Augen brannten vor Anstrengung, als ich mich umsah und ich erstarrte. War da noch was mit mir in der Bibliothek? Meine Ohren haben es dann gefunden, als es sich ein paar Meter entfernt den Gang herunterschleppte. Ich schaute um die Ecke.

Eine sonderbare, fleischige Masse schob sich mir entgegen.

Entsetzt starrte ich sie an und versuchte herauszufinden, was das sein sollte. Es hatte Glieder, über die sich Haut spannte und dabei flatterte – und das ganze monströse Ding pulsierte mit diesem Beben. Es war ein widerlicher, glitzernder Fleischsack mit pulsierenden Organen mit ekelerregender Haut und Haaren, die an verschiedenen Orten herausstanden.

Dieses nasse, klatschende Geräusch kam aus seinem Mund, einer Öffnung in diesem schrecklichen Ding, in der Knochen durch gummiartige Kämme brachen – oh Gott, ich erinnere mich an jedes seiner Details – und dann richtete es diese weißen Ausbuchtungen auf mich – es konnte mich sehen. Es machte ein gurgelndes, quietschendes Geräusch und kam dann schneller auf mich zu.

Ich flippte aus. Ja, scheiß drauf. Ich bin ein kleines Mädchen und ich rannte wie die Hölle. Was würdet ihr tun? Da war noch eins im Treppenhaus, ich bin da fast hineingelaufen. Es machte einen komischen, hohen Ton und streckte eins seiner Glieder nach mir aus. Die Haut sah aus, als wäre sie von Venen durchzogen, die irgendetwas Fauliges transportierten …

Ich rannte weiter.

Ich hatte ein Messer, wisst ihr. Ich komme aus einer gefährlichen Gegend. Ich wusste, dass ich das Messer bald benutzen müsste. Die Bibliothek war voll von diesen Kreaturen und ich musste um jeden Preis da raus, ich musste meinen Aufsatz fertig schreiben.

Mit gezücktem Messer rannte ich hinunter und zur Vordertür. Eine andere Kreatur stand vor der Tür und kreischte, als sie mich sah. Ihre Mitte hob sich, als sie einatmete und sich auf einen Angriff vorbereitete, daran hab ich keinen Zweifel. Durch die Glastür sah ich draußen eine Uniform des Sicherheitsdienstes, also Hilfe.

Ich schlitzte die Kreatur genau dort in der Mitte auf, wo sie sich aufblähte. Sofort platzten alle Arten von ätzenden und bebenden Organen heraus, rot, braun und lila. Ich konnte nicht anders als zu kotzen, während Tränen mein Gesicht hinunterliefen. So etwas Ekelhaftes hatte ich noch nie gesehen.

Ich ließ den Fleischsack liegen und rannte auf die Tür zu.

Ich schrie nach Hilfe und die Uniform kam schnell herüber. Eine dieser Kreaturen steckte darin.

Ich erstach auch diese, zerschnitt sie und rannte zu meinem Schlafsaal.

Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Ich war von dem Schock vollkommen wach, schrieb blutgetränkt meinen Aufsatz fertig und sendete ihn ab.

Sie kamen nach ungefähr einer Stunde, um mich zu holen. Ich erinnere mich nicht, aber anscheinend saß ich nur da und lächelte. Ich hatte nicht mal versucht zu schlafen.

Den Rest kennen Sie. Alle erzählen mir, ich hätte einen Anfall gehabt, dass meine »Filter« durchgebrannt wären und dass ich nur die Menschen in ihrer wahren Form sehen würde, ohne dass sie mir bekannt vorkommen oder ich sie gar erkennen würde, aber davon fühle ich mich nicht besser. Ich sehe immer noch Gewebe und pulsierende Venen und Organe in einem losen Fleischsack, wenn ich an mir selbst hinuntersehe. Und Sie, sie verstecken sich hinter diesem Spiegel. Isolieren mich. Bin ich immer noch kaputt? Was, wenn ich mich niemals erhole? Halten Sie meine Familie von mir fern und meine Großeltern, ich kann sie so nicht ertragen … Gott, ich bin so müde …

Wo ist der Kaffee? Sie haben es versprochen! Ich konnte Sie hören, wie Sie ihn da hinten getrunken haben!

GEBEN SIE IHN MIR!

Als ich das Transkript dieses armen Mädchens gelesen habe, fiel mir etwas ein. Die Patientin kam erst vor kurzer Zeit – ich rannte in den Postraum und öffnete den Auffangbehälter des Reißwolfs. Ich dachte, ich hätte etwas gesehen …

Und da war er.

Jemand hat ihr an diese Adresse einen Brief geschrieben, er kam vor ihr an. Es ergab damals keinen Sinn und ich hatte an diesem Tag auch nur deswegen Postdienst, weil sich eine Pflegerin krank gemeldet hatte.

-Gratulation, stand auf den Fetzen. Sie sind einer der drei übrigen Kandidaten! Damit Sie sich für die nächste Runde qualifizieren können, senden Sie bitte innerhalb der nächsten drei Wochen einen viertausendseitigen -

Der Rest des maschinengeschriebenen Briefs war zerschreddert und ich konnte in den anderen Papierstreifen auch keinen Umschlag oder Kontakdaten finden. Wie auch immer – das reichte. Da ging etwas vor sich und das war Beweis genug, um Ermittlungen loszutreten.

»Interessant«, sagte der Chefarzt, als er die Papierschnipsel las. Er lehnte sich in seinem riesigen Ledersessel zurück. »Das passt zu der Geschichte, die Sie mir erzählt haben …«

»Ich glaube, da ist etwas Größeres im Busch«, sagte ich.

»Wen interessiert das?«, fragte er ernsthaft.

»An der Geschichte ist mehr dran als bloß die Tatsache, dass sie verrückt ist. Ist das nicht genug Anlass, sie zu untersuchen?«

»Sie sieht Menschen immer noch als Monster und hat immer noch einen Sicherheitsbeamten sowie einen Kommilitonen zerstückelt«, gab er zurück. »Auch wenn jemand versucht hat, sie um ein Stipendium zu betrügen, ist sie immer noch diejenige, die wochenlang nicht geschlafen und so ihrem Gehirn Schaden zugefügt hat.«

»Warum interessiert Sie das nicht?«, hakte ich in schärferem Ton nach. »Wir haben einen gefährlichen Stipendienbetrug aufgedeckt, das ist doch was!«

»Das ist aber nicht unsere Aufgabe.«

Plötzlich begriff ich, dass er mir absolut nicht weiterhelfen und auch keine Ermittlungen einleiten würde. »Ja, Sie haben Recht. Tut mir leid«, log ich.

Er lächelte. Er mochte es, wenn er Recht hatte.

Als ich hinausging, warf er mir noch hinterher, dass er mitbekommen habe, wie merkwürdig auch ich mich in letzter Zeit verhalten würde, dass ich nachts Akten läse, beispielsweise. »Lassen Sie sich nicht zu stark auf die Patienten ein. Machen Sie aus ihren Geschichten nicht mehr als sie sind: Halluzinationen von Besessenen.«

»Warum?«, fragte ich. »Angst, dass Wahnsinn ansteckend ist?«

Er mahlte mit strengem Blick seine Kiefer und gab keine Antwort. Meine Bemerkung war schnippisch, aber seine Reaktion gab mir zu denken.

Ich bin mir jedenfalls sicher, dass da wirklich was im Busch ist – nicht nur wegen dieses Mädchens, auch wegen der anderen Patienten. Ich frage mich, ob die damit was zu tun haben.

Update: Ich bin jetzt voll davon überzeugt, dass wir alle in etwas sehr Düsteres verwickelt sind.


Von Matt Dymerski

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