Deutsches Creepypasta Wiki
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Würde es euch wundern, wenn ich euch sage, dass diese hier wie (fast) jede andere Pokepasta beginnt? Vermutlich nicht… Ich fange trotzdem am Anfang an.

Trödelmarkt, welch wundersamer Ort, voll Kram, Müll und Raritäten. Ich sah mich eigentlich nur um, beobachtete wie Leute aufgeregt um die Stände tanzten um die besten Schnäppchen zu ergattern. Aus dem Augenwinkel erblickte ich einen kleinen Stand, eine ausgebreitete Decke mit Spielzeug und Kleidung, daneben ein Tisch mit Elektronik, hauptsächlich Spielkonsolen. An dem Stand saß ein Mann mittleren Alters. Er sah… erschöpft aus, seine Augen zeichneten tiefe Ringe, als hätte er lange Zeit geweint. Als ich mir den Kram nochmal etwas genauer ansah… er muss seinen Sohn verloren haben, zumindest entdeckte ich nur Dinge an denen ein Junge seinen Spaß finden würde, und auch die Klamotten unterstützten meine Vermutung.

„Gefällt Ihnen etwas junge Dame?“, fragte mich der Mann der mittlerweile auch endlich mal aufgesehen hatte. „Ich schau noch aber erstmal noch n…“, mein Blick fiel auf den kleinen Tisch. Da lag doch tatsächlich ein gut erhaltener, wenn auch pinker, Game Boy Color; gleich daneben lagen die gelbe, rote UND blaue Version der Pokemonspiele von damals. ‚Wow! Jackpot‘, dachte ich, auch wenn es mir etwas mies vorkam, zu versuchen, den Mann über den Tisch zu ziehe.

„Was wollen Sie denn für das pinke Ding und die Spiele haben?“, fragte ich auf unwissend tuend. „Ach, das hat mein Sohn immer gerne gespielt…. Möchtest du alles für 30 Euro haben? Es mag böse klingen, aber ich bin froh wenn es weg ist.“, gab er mir zurück, mit einer Mischung aus Trauer und Wut in seinem Blick. Nur um sicher zu gehen, dass alles damit in Ordnung ist fragte ich noch: „Wieso ist es kaputt?“ „Nein… zu viele Erinnerungen hängen daran… Aber bitte, ich möchte Sie nicht belasten mit meinem Gerede über die Vergangenheit.“ Okeeey…. Merkwürdige Ausdrucksweise, aber ok. Ich drückte ihm die 30 Euro in die Hand, bedankte mich herzlich und machte mich mit meiner Beute direkt auf nach Hause.

Wie hätte ich anders gekonnt als sofort loszuspielen. Ich schob zuerst die rote Pokemon-Version in das Gerät, das war damals mein erstes Spiel überhaupt. Nostalgie pur! Das Spiel startete und ich bahnte mir meinen Weg durch die Wälder, Städte und Arenen.

Was denn? Hattet ihr einen bereits existierenden Spielstand erwartet? Eine mysteriöse Option? Eine merkwürdige Audiodatei die abgespielt wird?.... Nein, nichts dergleichen.

So spielte ich also die erste Version, merkte kaum wie die Zeit verging. ‚Gott sei Dank hab ich Urlaub‘, dachte ich mir als ich auf die Uhr starrte; es war bereits 10 Uhr… morgens… Aber hey, was soll‘s. Ich legte mich ein paar Stunden schlafen und setzte mich dann wieder ran. Ich brauchte noch einige Stunden bis ich das Spiel durch hatte.

Immernoch nichts? Nein, alles komplett in Ordnung. Vielleicht gibt es hier auch keinen Horrorfaktor. Vielleicht erzähle ich einfach eine schöne Geschichte über Nostalgie und  meine Liebe zur Pokemon-Spiele-Reihe… Nö. Wartet es nur ab.

So vergingen die Tage und auch die blaue Version wurde von mir in allen Details bezwungen. Man, diesmal hab ich sogar alle Pokemon gefangen die möglich waren. Ein wunderbares Gefühl! Diesmal legte ich eine Pause von zwei Tagen ein, bevor ich mich der letzten übrigen Version widmete. Diesmal… war tatsächlich etwas anders. Der Start des Spiels war es nicht. Auch war da kein bereits existierender Spielstand. Nein, um ehrlich zu sein fiel es mir erst auf, nachdem ich schon ein paar Stunden gespielt hatte. Da war etwas anders an der Musik. Nichts verstörendes oder so, nein, eher als ob da ein Flüstern wäre… Natürlich machte ich mir nichts daraus, schob es auf das Gerät, es war immerhin schon älter. So spielte ich weiter, bis etwas geschah, das eigentlich nicht passieren konnte. Eine neue Figur trat an mich heran. Es sah ein bisschen aus wie ein Teenager in Mädchenkleidung.

„Du hast auch meine anderen Spiele gespielt, nicht wahr? Hat es dir Spaß gemacht?“

Der Text der da auf dem Bildschirm erschien, war etwas merkwürdig. Warum würde mich diese Figur das fragen? Warum gab es sie überhaupt? Ich hatte vor Jahren schonmal eine gelbe Version im Emulator gespielt und da gab es sie - oder ihn - nicht. Ein kleines Auswahlmenü mit JA und NEIN erschien. Naja, … warum eigentlich nicht? Vielleicht konnte der Junge dem das Spiel gehörte ja programmieren und hat diese Figur einfach in den Skript gesetzt. Ich wählte JA. Schließlich habe ich die Nostalgie sehr genossen.

„Das ist gut. Das freut mich. Darf ich dich begleiten?“

Wieder ein Auswahlmenü mit JA und NEIN. Das konnte kein im Spiel versteckter Code sein. Das MUSSTE der Junge hineingeschrieben haben. Neugierig auf das, was er sonst so angestellt hatte, wählte ich erneut JA. Und so folgte mir die Figur fortan durch das Spiel. Immer wieder stellte er –oder sie- kleine Fragen mit Antwortmöglichkeiten. Sowas wie „Wie heißt du eigentlich? – Ah Shiro also.“ oder „Bist du ein Junge oder ein Mädchen? – Ah ein Mädchen also.“ Wirklich gestört hat es mich nicht. Irgendwann habe ich sogar angefangen der Figur laut zu antworten. Wir führten richtige Gespräche miteinander; vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet, aber das war egal. Es hat wirklich Spaß gemacht so einen Begleiter im Spiel zu haben.

Aber wie jedes Spiel musste auch dieses zu Ende gehen. Fast schon ein bisschen wehmütig beendete ich meinen letzten Kampf gegen Mewtwo und war bereit damit abzuschließen, doch das Ende war… nunja … Anders. Auf einem schwarzen Hintergrund stand mein Begleiter in seinen Mädchenklamotten.

„Nun ist dein Abenteuer also zu Ende… Ja, das ist traurig. Ich habe unsere gemeinsame Zeit sehr genossen. Weißt du… Ich möchte dir gerne meine Geschichte erzählen. Darf ich?“

Erneut öffnete sich eine Auswahl. Ich war neugierig was die Figur zu erzählen hatte, und außerdem wollte ich mich noch nicht von dem Spiel trennen. JA!

„Gut. Also wo fang ich an. Kannst du dich noch an den Mann erinnern, der dir diese Konsole und die Spiele verkauft hat? Das ist mein Vater, wie du dir mittlerweile wohl denken kannst.“

Moooooment? Was zum? Woher weiß diese Figur, wo ich die Spiele her habe, geschweige denn, dass ich auch den Game Boy gekauft habe und ihn jetzt benutze?

„Ich kenn dich jetzt schon ganz gut. Du brauchst dir solche Fragen nicht zu stellen. Bitte, hör mir nur weiter zu, dann wirst du verstehen.“

Ich musste schlucken. Was ging hier ab? Woher wusste die Figur was ich dachte? Aber irgendwie… konnte ich nicht aufhören. Ich wollte wissen, wie das sein konnte. JA!

„Sehr schön. Also dieser Mann, mein Vater, er wirkte wahrscheinlich sehr müde und fertig mit der Welt. Ja, das sollte er auch. Aber beginnen wir doch am Anfang. Mein Name ist Mikael Riemstein. Ich war 10 Jahre alt als ich merkte, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich mochte rosa, was eigentlich nur Mädchen mochten, wollte lange Haare haben, wollte lieber mit Puppen spielen, statt draußen mit den anderen Kindern Fußball. Ich denke, du weißt worauf ich hinaus will. Ich war im falschen Körper geboren, ich war ein Mädchen gefangen im Körper eines Jungen. Mein Vater meinte, das sei nur eine Phase, das ginge vorbei. Aber es ging nicht vorbei. In der Schule wurde ich ebenso gehänselt wie bewundert.  Ich hatte meine Mädchenclique und dann die doofen Jungs, die mich dafür auslachten, wie ich war. Die Jahre vergingen und mein Vater war immer unzufriedener mit mir, regte sich immer wieder auf, trank, hatte Probleme auf der Arbeit die er nach Hause nahm und an meiner Mutter ausließ. Sie hielt es nicht mehr zu Hause aus und war eines Tages einfach weg. Mein Vater tobte, trank immer mehr, immer öfter und da meine Mutter nicht mehr da war, gingen alle seine Aggressionen auf mich. Ich vergrub mich immer mehr in meine eigene kleine Welt. Ich spielte diese Spiele, die du nun dein Eigen nennst, versank darin. Darin, … und in meiner Selbstverwirklichung als Frau. Mein Vater, unzufrieden mit allem und jedem, rastete komplett aus, als er bemerkte, dass ich mit Hilfe meiner Freundinnen immer mehr mein Inneres nach Außen führte. Ich trug Schminke, hatte mittlerweile taillenlange Haare und trug Frauenkleidung. Ich war endlich näher an meinem Selbst, als je zuvor. Doch…“

Es wurde still. Die Musik stoppte.

„In seiner Wut verwüstete mein Vater unsere Wohnung und,…Mich. Ich weiß nicht mehr, ob es ein Unfall wa- nein, es war kein Unfall. In seiner Wut und seiner Trunkenheit hat mein Vater mich umgebracht.“

Mir stockte der Atem. Ich wusste nicht was ich denken sollte. Ich hatte Tränen in den Augen. „A-aber... warum... wie...“, die Worte blieben mir im Halse stecken.

„Danke dass du mir zugehört hast. Darf ich dich noch um eine Kleinigkeit bitten?“

JA oder NEIN. Noch vollkommen abwesend starrte ich auf das Auswahlmenü. JA.


Mir wurde schwarz vor Augen. Das nächste woran ich mich erinnern kann, waren die typischen Geräusche eines Krankenhauses, zusammen mit den blassen Farben der Wände eines Patientenzimmers. Ich wollte mir an den Kopf fassen, aber das ging nicht. Meine Hand war mit Handschellen an das Krankenbett gefesselt. Handschellen? Warum? Was tat ich überhaupt hier? Warum schmerzte mein Kopf so? Warum konnte ich mich an nichts erinnern?

„Guten Tag! Schön dass Sie wieder wach sind. Wir hätten da ein paar Fragen an Sie?“, die Stimme des Polizisten, der in der Zwischenzeit mit seinem Partner in das Zimmer auf dem ich lag gekommen war, klang emotionslos. „Sagt Ihnen der Name Gerd Riemstein etwas?“

Ich versuchte mich zu erinnern. „N-nein, … Riemstein... Gerd? Nein, er hieß Mikael...“, noch von den Kopfschmerzen benommen stammelte ich vor mich hin. „Mikael ist der Name des verstorbenen Sohnes von Herrn Riemstein. Aber woher kennen Sie ihn?“

„Aus dem Spiel... Warum? Was ist denn passiert?“, langsam fing ich mich wieder.

„Wie haben Sie in Herr Riemsteins Wohnung gefunden, über ihm kniend. Mit seinem Blut an Ihren Händen! Sie haben Herr Riemstein ermordet.“

Das Blut gefror in meinen Adern. Ein kalter Schauer fuhr mir über den Rücken. Im Augenwinkel sah ich den Game Boy auf dem Beistelltisch neben meinem Bett liegen. Er war an; darauf war ein Textfeld, sonst nichts.



„DANKE“

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