Deutsches Creepypasta Wiki
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„Worauf beruht unser Konzept der Seele? Was genau ist das? Ist sie messbar? Vielleicht. Es gab mal ein Gewichtsexperiment. Ein Sterbender auf einer Waage, und im Moment des Todes wurde der Körper um etwa 21 Gramm leichter. Das war mit einem letzten Atemzug nicht zu erklären. Die Seele musste also etwa so viel wiegen. Leider war es auch so, das in der Sterbephase eine erhöhte Verdunstung des Wassers im Körper nachweisbar war. Etwa 23 Gramm pro Stunde verlor der Sterbende. Es ist nicht auszuschließen, dass dieses Experiment ein Messfehler war. Es fand vor fast 100 Jahren statt. Erneute Experimente zu späteren Zeitpunkten zeigten ähnliche Resultate. Allerdings wurde der Gewichtsverlust zum Zeitpunkt des Todes mit steigender Messgenauigkeit der Waagen immer geringer, bis er kaum noch nachweisbar war. Also ist die 21 Gramm-Theorie vermutlich genau das, eine bisher unbewiesene Theorie.

Das Licht am Ende des Tunnels. Nachweislich feuern im Sterben die Neuronen des Gehirns noch einmal aus allen Rohren. So auch natürlich die Nerven und Verknüpfungen, die im Sehzentrum liegen. Erinnerungen werden abgerufen, das Leben zieht an einem vorbei. Auch das ist alles nachweisbar, bewiesen und ist kein Hinweis auf die Existenz einer Seele.

Außerkörperliche Erfahrungen sind durch einen massiven Ausstoß des körpereigenen DMT, einer der stärksten psychoaktiven Substanzen zu erklären. Gebildet in der Zirbeldrüse des Gehirns. DMT ist auch in dem Drogengebräu Ayauasca oder im mexikanischen Göttersalbei zu finden. Das Gehirn nimmt wesentlich mehr wahr, als wir glauben, und wenn wir sagen, dass die Gespräche von Doktoren oder Personal im Krankenhaus während einer Operation wortgetreu wiedergegeben worden sind, liegt das natürlich eher an der Fähigkeit unseres Unterbewusstseins, dies dennoch in komatösen Zustand zu verarbeiten.

Warum wird den Menschen eine Seele angerechnet? Es gibt keinen Nachweis dafür. Es gibt nur das Gehirn. Ein unglaublich tolles Produkt von Milliarden von Jahren stetiger Entwicklung. Somit gibt es keine Seele, kein Leben nach dem Tod. Das wäre einfach am unwahrscheinlichsten und doch schlichtweg dumm, wenn man diese Vorgänge, die wissenschaftlich erklärbar sind, auf etwas so Abstraktes und unmöglich Nachweisbares beziehen würde wie auf eine Seele.

Warum hast du also Angst, deine zu verlieren? Etwas, das es möglicherweise nicht einmal gibt? Gib mir einfach etwas, das nicht nachweisbar existiert, und du bekommst alles von mir, was du dir am meisten wünschst: deine Freiheit! Ich meine, ich kann auch nicht der Teufel sein. So etwas gibt es nicht. Hier unterschreiben.“

James nahm den Kugelschreiber, setzte seinen Namen auf das Papier. Der nette Mann gegenüber schüttelte ihm lächelnd die Hand, dankte, und wünschte ein schönes Leben. James hatte den ersten Schritt in Richtung eines befreiten Lebens gemacht. Ohne religiöse Zwänge, ohne die Furcht, für ein scheinbar unmoralisches Leben nach dem Tod bestraft zu werden. Eine eigenartige Variante, den Atheismus voranzutreiben, in dem man seine imaginäre Seele verkauft. Aber so befreite man sich wahrscheinlich von diesen Zwängen. Ein tolles, innovatives Konzept, fand James. Endlich und ganz offiziell mit seiner Unterschrift war er befreit und konzentrierte sich auf sein Leben. Nicht mehr auf das Klingen der Münze im Beutel des Pastors. Nicht auf die täglichen Gebete, die ohnehin nichts brachten. Nun konnte er statt in die Kirche zu den Treffen der Atheisten gehen. Sich austauschen über das gute Leben, Wissenschaft, Fortschritt. Er würde von seiner Gruppe auch keine Schuldgefühle eingebleut bekommen, weil er angeblich gesündigt habe. Nein. Das war vorbei. So glücklich wie noch nie zuvor ging James die Straße hinab. Die Sonne schien ihm ins Gesicht und er genoss ihre Wärme aus vollen Zügen. Er sah nicht, wie der nette atheistische Pilger nach dem langen, intensiven Gespräch, das er mit James geführt hatte, seinen Aufstelltisch zusammenpackte. Auch nicht, wie dieser sein Handy zückte und anscheinend mit jemandem telefonierte. Gut gelaunt das Telefonat beendete und siegestrunken die Faust in die Luft warf. Das sah gewaltig nach einer Beförderung aus. Auch dass sich der Mann dann in eine Flammensäule auflöste und einen beißenden Schwefelgestank zurückließ, bemerkte James natürlich nicht mehr. Er war frei. Vorerst.

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