Deutsches Creepypasta Wiki
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Wenn du diese Zeilen liest, dann wandle ich nicht mehr auf der Erde. Du hast bestimmt tausende Fragen: Warum mein Haus niedergebrannt ist, warum ich den Flammen zum Opfer fiel oder warum eine Kiste, die diese Briefe an dich beinhaltete, ohne jeglichen Schaden das Inferno überlebte.

Mich hat eine Seuche ergriffen, deren Schrecken, den des schwarzen Todes bei weitem übersteigt und das Grabe für das ganze Menschengeschlecht schaufeln könnte, sollte sie sich verbreiten.

In ihren Symptomen ähnelt es der Beulenpest, ist aber von solch aggressiver Natur, dass ich in ihrem Endstadium dem Abbild eines Sünders gleiche, der für alle Ewigkeiten in der Hölle leiden muss.

Mein Leben ist verwirkt und ich kann einzig versuchen, diese Strafe Gottes mit in mein Grab zu nehmen, bevor sie diese Welt in einen Trümmerhaufen verwandelt.

Dieser Brief soll aber nicht nur ein einfacher Abschiedsbrief an dich sein. Ich muss dich um einen Gefallen bitten, dessen Dringlichkeit dir hoffentlich bewusst wird, wenn ich dir von den Geschehnissen der letzten Wochen berichte.

Vor etwas mehr als einem Monat kam ein junger Alchemist in meine Praxis. Der Bursche war gerade einmal zwanzig Jahre alt, edel gekleidet und hat seine Ausbildung wahrscheinlich gerade erst erfolgreich absolviert. Er unterbreitete mir ein Angebot, mich an einem Forschungsprojekt zu beteiligen, das den Forschungsstand der Alchemie und der Medizin um Jahrhunderte voranzubringen vermochte.

Ich hatte mich seit zehn Jahren an keiner Forschung mehr beteiligt und wollte meinen Lebensabend ruhig und zufrieden dem Heilen von Erkrankten widmen. Seitdem tauchten aber immer wieder ambitionierte Wissenschaftler und Ärzte bei mir auf, die sich meine Mitarbeit an unterschiedlichsten Projekten wünschten, welche ich aber jedes Mal ablehnte. Für mich war er also ein weiterer Narr, der von meiner Reputation gehört hat und meinen Beschluss, der Forschung den Rücken zu zukehren, als vorrübergehend und nicht endgültig deutete.

Auch wenn ich zugeben muss, dass der Junge eine Reife und Intelligenz zu besitzen schien, wie man sie selten bei Männern seines Alters sah, hielt ich ihn aber für derart arrogant und unverblümt, dass ich geneigt war, ihm gleich den Ausgang zu zeigen. Geschweige denn von seinen astronomischen Versprechen, über die Tragweite seiner Forschung und den damit einhergehenden Preisen und Anerkennungen, die mir zu stehen würden, wenn ich mich an dieser beteiligen würde.    

Als er mir jedoch sein Themengebiet und das Ziel seiner Forschung erzählte, konnte er gleichermaßen meinen Spott und Neugier ernten. Der Junge hatte sich tatsächlich das Ziel gesetzt, Tote wieder zum Leben zu erwecken. Scherzend sagte ich ihm, dass er beim falschen Arzt sei und lieber eine Anstalt besuchen sollte. Dort könnte er die Hilfe bekommen, die er wohl dringend benötigte.

Es schien nicht die erste abwertende Bemerkung zu sein, die der junge Alchemist zu seiner Arbeit ertragen musste, da sie ihn völlig kalt ließ. Ja, er schien sogar nur darauf gewartet zu haben, da sein Lächeln nun breiter wurde und er mir nur ein paar Briefe entgegen hielt, welche er aus seinem Koffer heraus holte, den er wie einen unersetzbaren Schatz eng an sich hielt.

Die Briefe stammten von vermögenden Persönlichkeiten, die allesamt die aufkeimende Industrialisierung bestmöglich vorantreiben wollten und von ihr profitierten, wie ich später erfuhr. Jeder von ihnen überschüttete den Burschen mit Forschungsgeldern, dass es jedes meiner Projekte um Weiten überragte.

Fragend blickte ich ihn an, nachdem ich jedes Schreiben überflog und mich davon überzeugte, dass sie nicht gefälscht wurden. Sein Lächeln war nun verschwunden und musste einer ernsten Miene weichen, welche deutlich ausstrahlte, dass der Junge nun über das weitere Vorgehen verhandeln wollte.

Er reichte mir eine Karte, auf der die Adresse eines Hauses in Nürnberg verzeichnet war und sagte mir, dass ich ihn ab nächster Woche dort antreffen könnte, da er zuvor noch dringende Geschäfte zu tätigen hätte.

Bevor er ging, fragte ich ihn, wie sein Name lautete. Kurz und knapp entgegnete er mir, dass er Nicolas hieß.

Die darauffolgenden Tage konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen, außer den jungen Mann und seine Forschungen. Tote wieder zum Leben zu erwecken, hätte niemals von solch einem Burschen bewerkstelligt werden können. Und doch musste irgendetwas an der Arbeit von Nicolas sein, womit er sich die Hilfsbereitschaft all seiner Gläubiger sichern konnte.

Obwohl ich mit mir selbst im Zwiespalt war, ob ich mich erneut an einer derartigen Forschung beteiligen sollte, nachdem ich zwei Jahre meines Leben verschwendete und meine Gesundheit ernsthaft in meinen Eifer beschädigte, als ich mich meiner, aus heutigen Sicht, größten Niederlage widmete, stand mein Beschluss fest, die derzeitige Lage von Nicolas' Arbeit zu begutachten.

Anstelle aber einer Kutsche, wie ich es sonst immer pflegte, versuchte ich die Eisenbahn von Fürth, welche nun seit fast einem Jahr eine Verbindung zu Nürnberg hatte.

Es war ganz berauschend, in meinem Alter einen so großen Sprung in der Technologie mit zu erleben und die Geschwindigkeit, die die Gerätschaft erreichen konnte, war erstaunlich. Im Vergleich zu der gewohnten Pferdekutsche war ich innerhalb kürzester Zeit in Nürnberg.

Durch den Anblick der tüchtigen Stadt musste ich aber an meine Heimatstadt Genf denken, die ich so schmerzlich vermisste. Jeden Winkel der trauten Idylle kannte ich auswendig und konnte jederzeit ausführliche Sparziergänge in die Natur tätigen, die die Stadt umgab und mich immer zu faszinieren wusste.

Doch seit dem Tod meines Weibes nahmen meine Gefühle einen Umschwung. Meine Elisabeth, meine arme Elisabeth. Seit ihrem Dahinscheiden wurde mir die Heimat mit jedem Tag, den ich ohne sie leben musste, verhasster. An jeder Stelle sah ich die Schemen ihrer lieblichen Gestalt.

Ohne Kinder mehr im Hause, denen ich die traute Umgebung nicht wegnehmen wollte, verließ ich Genf, damit die Trauer mich nicht auch ins Grab brachte. Fürth erwies sich als eine geeignete Ansiedlung. So hatte ich ja, wie ich dir bereits berichtete, in Ingolstadt mein Studium vollzogen, konnte mich aber dort nicht niederlassen, da die Geister meiner großen Niederlage, die ich dort erlitt, mich ähnlich verfolgten, wie es die Erinnerung an mein geliebtes Weib in Genf taten.

Das kleinere Fürth befand sich aber in der Nähe von Ingolstadt und teilte viele Gepflogenheiten, die ich bei meinen Studien in jungen Jahren dort lernte, da es sich ebenfalls im Königreich Bayern befand.  

Wenn ich dir aber meine zwiespältigen Gedanken und Gefühle über Genf genauer schildern sollte, so würde ich die Stadt mit einem guten Wein vergleichen. In kleinen Mengen ist der Genuss fantastisch und berauschend, doch in hohen bringt er mir, früher oder später, den Tod.

Aber ich schweife ab.

Von da an nahm ich mir natürlich wieder eine Kutsche, musste aber überrascht feststellen, dass das Labor von Nicolas sich in einem dreistöckigen Fachwerkhaus befand, welches recht abseits der Stadt lag. Der Zustand des Hauses ließ eindeutig zu wünschen übrig. So bröckelten die Backsteine, die die Zwischenräume der Holzbalken ausfüllten. Auch beim Schieferdach konnte selbst ein ungeschultes Auge erkennen, dass einige Platten Risse hatten und sich Flechten über weite Teile des Daches zogen. Vor dem Haus befand sich ein kleiner Stall, in welchem eine Pferdekutsche und zwei Pferde überdacht waren. Wenigsten machte dieser einen anständigen Eindruck.

Gehemmt von diesem oberflächlichen Anblick, klopfte ich etwas zögernd an die veraltete Holztür, die ein weiteres Indiz für das Alter des Gebäudes sein musste, da sie Schäden aufwies, die ihr der Zahn der Zeit zu gefügt hatte.  

Ich musste ein zweites Mal etwas kräftiger klopfen, bevor ich Schritte vernahm, die von einer Person stammten, welche gerade eine Kellertreppe hinauf kam. Wenig überraschend stellte sich diese Person als Nicolas heraus, der mir die Tür öffnete. Er hatte die edle Kleidung, welcher er bei unserem ersten Treffen an hatte, gegen ein einfaches Leinenhemd und eine Hose aus Baumwolle eingetauscht, über die er eine alte dicke Schürze aus Leder trug, die von einer Art roten Späne bedeckt war.

Bevor ich ihn darauf ansprechen, oder überhaupt begrüßen konnte, drehte er sich wieder um und wies mir mit einer Handbewegung nach, ihm zu folgen. Seine Hände waren in großen Handschuhen begraben, die von derselben roten Späne überseht waren, wie seine Schürze. Als ich nun seinen freien Rücken sah, fiel mir auf, dass der Junge klitsch nass vor Schweiß war und dementsprechend roch. Sofort entschuldigte sich Nicolas für sein wirres Aussehen und Geruch, als hätte ich meine Gedanken lautstark mit ihm geteilt.

Beim Betreten des Hauses bestätigte sich meine Vermutung, dass der Bursche wohl sehr auf die Kosten von Nebensächlichkeiten achtete, die für die Forschung eher unwichtig waren. Nur ein kleiner Esstisch mit sieben Stühlen und ein paar Gerätschaften zum Zubereiten von Nahrung schmückten, neben einem Schrank, ein paar Schubfächern und einem Kamin den Raum.

Ansonsten war hier nichts weiter zu finden, als Staub und zwei Treppen, die einmal ins nächste Stockwerk führte, wo wahrscheinlich die Schlafzimmer waren, und einmal in den Keller, wo das Labor sich befinden musste. Nach meiner kurzen Betrachtung der schlichten Einrichtung, machte ich Nicolas bewusst, dass ich hier bin, um die derzeitige Lage seiner Arbeit zu untersuchen und erst danach mich entscheiden würde, ob ich mich an der Fertigstellung eben jener beteiligen möchte.

Nicolas nickte verständlich und setzte mich aber darüber in Kenntnis, dass er für seine Arbeit an fünf Leichen experimentieren muss, die sich alle im Keller unter einem Laken befanden. Meine eigenen Forschungen forderten die Untersuchung an Leichen, weswegen mich der Gedanke nicht abwies, die Totenruhe eines Verstorbenen zu stören, um Erfolge zu erlangen. Dafür musste ich aber wissen, ob die Leichen auf legalem Weg beschafft wurden.

Nur einmal in meinem Leben hatte ich mich der Grabschändung schuldig gemacht, weil meine gescheiterte Forschung mich so in den Bann zog, dass Moral und Sitte wie verblasst waren. Ich bereue diese Tat zu tiefst und wollte mich nie wieder an etwas derartigem beteiligen. Erneut erschien es mir fast so, dass der Bursche meine Gedanken lesen könnte, als er mir die Einverständnisse der Angehörigen zeigte, die bereits parat auf dem Küchentisch lagen.

Nach Sichtung der Dokumente, war ich überzeugt und ich folgte Nicolas in den Keller. Dort konnte ich endlich sehen, wo das kleine Vermögen hingeflossen ist, welches der Bursche erhielt. Sein Labor verfügte über die modernste und teuerste Ausrüstung, die man erwerben konnte. Damit konnte der Junge jede Forschungseinrichtung leicht in den Schatten stellen.

Nun sah ich auch zum ersten Mal die Leichen, an denen Nicolas experimentierte. Sie lagen nebeneinander auf einem großen metallenen Tisch, der in der Mitte des Raumes stand, unter einem Lacken begraben, unter welchem man die Umrisse und Wölbungen ihrer menschlichen Leiber erkennen konnte. Jetzt musste ich aber zu meinem Erschrecken feststellen, dass die Körper viel zu klein waren, um einem erwachsenen Menschen zu gehören.

Schockiert wandte ich mich an Nicolas und forderte wütend zu erfahren, warum er an toten Kindern experimentierte. Beschwichtigend versicherte er mir, dass ich es vielleicht besser verstehen könnte, wenn ich mir die Körper ansehen würde.

Bei jedem anderen Mann oder Forschungsprojekt hätte ich längst meine Sachen gepackt und den Verantwortlichen eines solchen ruchlosen Treibens die schlimmsten Flüche nachgesprochen, doch beschämt muss ich zugeben, dass meine Neugier nun erneut entflammt wurde.

In meiner 30 jährigen Laufbahn als Mediziner sind mir schon mehrere Kinderleichen unter die Augen gekommen und jedes Mal erfüllte mich ihr Anblick mit Unbehagen. Bei den fünf armen Seelen hier, war es jedoch anders. Ihre Leiber waren von Spuren schlimmster Misshandlung gezeichnet. Brandspuren, Blutergüsse und die Narben tiefer Schnitten, die sich zu hunderten über Arme und Beine erstreckten, sind nur wenige Beispiele der Gräuel menschlichen Tuns, die sich vor meinen Augen offenbarten und die ich nicht näher beschreiben möchte.     

Mit leiser und leicht zitternder Stimme erklärte Nicolas, der neben mir an das Totenbett trat, dass die fünf Kinder einem Mörder zum Opfer fielen, der vor vier Monaten erst geschnappt wurde und danach vor seinen Schöpfer treten musste. Jeder der fünf Knaben wurde von dem Mörder tagelang gefoltert und dann mit fünf Stichen in die Brust getötet, was man deutlich erkennen konnte. Zitternd zeigte Nicolas auf den Jungen in der Mitte und sprach, dass es sein kleiner Bruder Noah sei und er das letzte Opfer des Monsters wurde, was so viel Freude am Foltern und Töten dieser jungen Seelen verspüren musste.

Durch die Zeitung und die angeregten Gespräche, die der Fall auslöste, hatte auch ich von ihm erfahren und glaubte Nicolas, als ich sein trauerndes Gesicht sah. Schnell bedeckte er die Leiber mit dem Laken wieder, wofür ich ihm auch dankbar war. Danach schien der Bursche in Gedanken zu versinken und starrte auf die bedeckten Körper. Erst durch meine Frage, wie er denn plante sie wieder ins Leben zu holen, konnte ich ihn aus seinen Gedanken herausreißen.

Er schüttelte kurz seinen Kopf, um wieder vollen Bezug zum Diesseits zu bekommen und führte mich in den hintersten Teil des Labors. Dort befand sich auf einem hölzernen Schrank ein rotes Gebilde, dessen Aussehen einem Salzkristall am nächsten kam. Dieser hatte eine beachtliche Größe und könnte ohne Schwierigkeiten ein halbes Bierfass ausfüllen. Umspannt wurde das Gebilde von einem metallen Ring, der über vier Beine besaß und das Gebilde so spielend leicht in der Luft hielt und damit eine Untersuchung von jeglichem Winkel ermöglichte.

Vor dem kristallähnlichen Konstrukt lagen Hammer und Meißel, welche bis zur kompletten Ausreizung genutzt wurden und mit Spuren eben jener und der roten Späne bedeckt waren. Auch der Boden war fast vollkommen rot gefärbt und zeigte nur zwei freie Stellen, an welcher Nicolas wohl gestanden hatte. Das Endprodukt dieser Schufterei waren zehn kleine viereckige Überbleibsel des Kristalles, die der Bursche mit einem Stück Papier geschliffen hatte, welches erst vor kurzem in Amerika patentiert wurde.

Egal welche Theorie ich mir durch den Kopf gehen ließ, mir fiel keine Möglichkeit ein, wie dieses Gebilde einen Toten das Leben wieder schenken konnte oder was dieses mysteriöse Konstrukt überhaupt sein könnte. Mein Herumirren muss Nicolas aufgefallen sein, oder er wartete nur darauf, denn nun trat er näher an mich heran und sprach mit stolzer und leiser Stimme: Opus Magnum.

Ich wendete mich dem Burschen sofort zu und suchte in seinem Blick nach einem Zeichen, ob er mit mir gerade einen Spaß versuchte, um die angespannte Lage etwas aufzulockern. Doch seine Fratze war ernst und zeigte mir, dass es sich um keinen schlechten Scherz handelte.

Ungläubig wiederholte ich seine Worte, um mir selbst einen Reim draufzumachen. Der Junge behauptete tatsächlich, dass es sich bei dem Gebilde um den Stein der Weisen handelt. Ein Material, welches Blei in Gold verwandeln kann und mit Rotwein vermischt ein Allheilmittel für jede Krankheit verspricht. Am häufigsten vernahm ich aber das Versprechen, dass der Stein der Weisen jedem Mann die Unsterblichkeit schenken konnte. Auch von der Möglichkeit, Tote wieder ins Leben zu holen, hatte ich ein, zwei Legenden vernommen.

Amüsiert musste ich an meine Kindheitstage denken, wie ich mir vornahm, dieses Relikt selbst zu finden und verglich arroganter Weise den Burschen mit meinem jüngeren Selbst und sprach ihm so die Naivität eines Knaben zu.

Natürlich war sich Nicolas selbst bewusst, wie lächerlich die reine Behauptung war, dass ein Bursche von zwanzig Jahren das Traumgebilde in den Händen hielt, nach welcher nicht nur unzählige Gelehrte, vor ihm, kläglich gesucht haben, sondern dessen Entdeckung sich auch eine ganze Wissenschaft als oberste Bestrebung gesetzt hatte. Und wie zu erwarten, hatte Nicolas eine Vorführung vorbereitet, um mir die Echtheit dieser Legende zu beweisen.   

Neben dem Schrank, wo Nicolas den vermeintlichen Stein der Weisen bearbeitet hat, befand sich ein kleiner Schmelzofen, dessen Aussehen eher einem handelsüblichen Guss Ofen ähnelte. Der Bursche nahm sich nun ein abgeschlagenes Stück von dem Gebilde, welches griffbereit bei ihm lag und führte es auf einer Pfanne mit tiefen Boden in den Ofen hinein. Danach entzündete er die Kohle, die sich im Ofen befand, um das Stück vom Gebilde zu schmelzen. Ein metallenes Rohr, welches an dem Kopf des Ofens angebracht wurde, leitete den Rauch ab, sodass keiner den Erstickungstod fürchten musste.

Nicht einmal eine Minute dauerte es, bis Nicolas die Pfanne wieder herausnahm und das Gebilde seinen Aggregatzustand gewechselt hatte. Nun füllte das Gebilde den kompletten Boden der Pfanne als eine dicke und zähe Flüssigkeit aus, die erschreckend dem Aussehen von Quecksilber glich, nur das es immer noch seine rote Farbe beibehielt. Quecksilber, ging mir in diesem Moment durch den Kopf, stellt ein Bestandteil des Steins der Weisen dar, neben den vier christlichen Elementen, Schwefel und Salz, wenn man der Legende glauben möchte.    

Nicolas schwenkte die Pfanne ein wenig umher, um sicherzugehen, dass sich das Teil des Konstruktes auch wirklich vollkommen verflüssigt hatte. Als er zufrieden feststellte, dass dem so war, trat er an ein Becken heran, welches vollkommen aus Holz bestand. Dort griff er eine Eisenzange, die sich auf einer Ablage eben jener befand und griff nach einem Eisenbarren, der im Inneren des Beckens lag. Diesen reichte er mir, damit ich mich von der Echtheit des Metalls überzeugen konnte.

Ich fühlte mich wie der Zuschauer eines Magiers, der die Ehre bekam, zu ihm auf die Bühne zu treten und ihn bei seiner Vorführung zu unterstützen, indem ich beweisen sollte, dass sich der Illusionist keiner billigen Tricks bediente. Nur gab es keine Zuschauerschaft zu bespaßen und Nicolas machte nicht den charismatischen Eindruck eines Zauberers, sondern den eines Wissenschaftlers, der eine gewagte Theorie über seine Entdeckung beweisen wollte, die die Menschheit in ihrer Gänze revolutionieren könnte.   

Mein Wissen über Metalle war begrenzt, es fiel mir jedoch nichts Ungewöhnliches an dem Eisenbarren auf und ich gab ihn Nicolas zurück. Mit der Eisenstange umspannt, hielt der Bursche den Baren über das hölzerne Becken und ließ langsam die zähe Flüssigkeit drauffließen. Dabei beachtete der Junge, dass das Metall völlig mit der Quecksilber ähnlichen Flüssigkeit bedeckt wurde. Nachdem die Pfanne keinen Tropfen mehr des flüssigen Gebildes beinhaltete, legte Nicolas sie vorsichtig in das Becken hinein und holte schnell einen Löffel hervor, den er aus einer seiner Hosentaschen herausholte, und verteilte damit die rote Maße gleichmäßig um das Eisenstück.

Daraufhin wartete er kurz, bis die rote Flüssigkeit trocknete und eine zweite Haut für das Stück Metall bildete. Nun bat mich Nicolas ihm seinen Hammer zu bringen, der noch vor dem Stein der Weisen lag. Gespannt, was die nächsten Momente mir offenbaren würden, holte ich ihm das abgenutzte Werkzeug ohne Murren.

Kaum hatte der Bursche den Hammer in Händen, so ließ er gleich 2 Schläge auf das nun rote Stück Eisen niedersausen. Sofort bildeten sich Risse in der zweiten Haut und mit den nun auch roten Löffel, kratzte Nicolas ein Stück in der Schicht frei, um mir das Ergebnis der Mühen zu präsentieren.

Johan, wenn du meine wirren Erzählungen bis hier hin verfolgt hast, so bitte ich dich um dein Vertrauen, wenn ich dir bezeuge, dass das Stück Eisen wahrlich zu Gold geworden ist. Der Junge hat nicht gelogen oder seinen Verstand verloren. Er präsentierte mir hier eine wahrgewordene Legende, die über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, nur auf die Vorstellungskraft von antiken Forschen begrenzt war. All die Möglichkeiten, die diese Entdeckung mit sich brachte, breiteten sich vor meinem geistigen Auge aus: kein Mensch musste mehr unter einer Krankheit leiden, Tod und Armut würden zu einer verblassten Erinnerung werden und die Dahingeschiedenen könnten wieder unter uns weilen.

Auch der Löffel und die Pfanne, welche in dem Versuch verwendet wurden, waren an den Stellen, die mit dem flüssigen Stück des Steins der Weisen in Kontakt kamen, zu Gold geworden. Nur das Becken blieb unverändert, da nur Metalle vom der Stein der Weisen transmutiert werden könnten. 

Ohne jegliche Chance, eine Antwort zu geben, stellte ich Nicolas aber dutzende Fragen, darüber wie er beispielsweise es herstellen konnte oder ob er die anderen Fähigkeiten des Steines schon getestet hatte. Nicolas nahm mit recht an, dass ich nun bereit war, mich der Forschung anzuschließen und sagte mir, dass ich ihm nach oben folgen soll, damit wir uns dort in Ruhe über die nächsten Schritte beraten könnten.

Sein Plan war nun die fünf toten Kinder von mir nochmal untersuchen und notfalls operieren zu lassen, damit sie auch überlebensfähig wären, wenn wir sie zurückholen würden. Danach sollten wir sie dreißig Tage lang im Keller beaufsichtigen, um festzustellen, ob sie all ihre kognitiven Fähigkeiten und Gedächtnis zurück erlangen. Ohne zu zögern, nahm ich nun sein Angebot, mich an der Forschung zu beteiligen, offiziell an.

Natürlich war Nicolas wenig von meiner Zusage überrascht, nachdem er meinen Ausbruch purer Euphorie und Erstaunen miterlebt hatte, blieb mir jedoch Antworten auf meine Fragen schuldig, die ich ihm Labor stellte und die mir unter den Nägeln brannten. Es war aber schon längst Abend geworden und wir waren uns beide einig, ausgeruht die Sachlage morgen anzugehen. Auch wenn meine Neugier in mir aufschrie, als ich mich in eine der Schlafkabine zurückzog, die Nicolas mir anbot und ich größte Schwierigkeiten hatte, den Schlaf zu finden, war es der berauschendste Tag in meinen Leben.

Am nächsten Morgen berichtete mir Nicolas, wie er den Stein der Weisen bekommen hatte. So hat er ihn nicht in einem Labor erschaffen, sondern in einer kleinen Ruine in Ägypten gefunden. Wo sich die Ruine befindet und warum er in Ägypten war, wollte Nicolas mir jedoch nicht anvertrauen. Dieses Geheimnis hütete er wie einen Schatz und bat um mein Verständnis. Ich respektierte seine Entscheidung, mich nicht gänzlich einzuweihen, vollkommen, so kannten wir uns nur flüchtig und der Bursche fürchtete, um seinen Erfolg betrogen zu werden.

Etwas enttäuscht darüber, dass Nicolas meine Fragen nur ungenau beantwortete, kümmerte ich mich nach einem kurzen Frühstück um Kleinigkeiten. Dazu gehörte, einen Boten loszuschicken, um einige meiner Sachen für den Aufenthalt zukommen zu lassen und meinen Rücktritt an meiner Klinik bekannt zu geben. Es wäre natürlich narrenhaft gewesen, allein für die Forschung meine Arbeit niederzulegen, so war aber mein Ruhestand schon länger geplant. Einzig meine Zweifel, was ich ohne meinen Beruf tun sollte, zögerten ihn stetig heraus. Mit der beginnenden Forschung aber waren meine Ängste wie verflüchtigt.

Nicht einmal zehn Minuten opferte ich diesen Geschäften, damit ich mit der Arbeit beginnen konnte. Nicolas, der meinen Arbeitseifer teilte, machte in dem Labor Utensilien für eine Operation bereit. Nötig wäre aber keine gewesen, da ich eigentlich nicht viel hätte tun können. Das Herz und die Lungen wurden von allen fünf Opfern schwer beschädigt, als der Mörder ihnen das Messer mehrfach in die Brust rammte. Verwirrt blickte ich zu dem Burschen, als zwei seiner Diener mit einer Kiste kamen und diese zu uns stellten. In dieser lagerten fünf Herzen und Lungen von Schweinen, die mit kalten Wasser und Eis gekühlt wurden.

Mich bangte eine Vorahnung, die nur durch die Skurrilitäten der letzten Tage an Glaubhaftigkeit gewann. Bis mich Nicolas darüber in Kenntnis setzte, wem die Organe früher gehört haben, glaubte ich sogar, dass der Bursche sie von menschlichen Leichen stehlen ließ.

Es war offensichtlich, dass Nicolas eine Transplantation plante, um den jungen Seelen das Leben wieder zu ermöglichen. Bisher gelang aber einzig, Haut erfolgreich zu transplantieren. Organe, von einem Körper zum anderen zu übertragen, war aber zum derzeitigen medizinischen Stand reine Fiktion und hätte für den Patienten unvorstellbare Schmerzen und den Tod bedeutet. Selbst wenn es schon möglich wäre, so sprachen wir hier nicht von menschlichen Organen, die zur Verfügung standen, sondern von tierischen. Auch wenn die Organe des Schweines eine erstaunliche Ähnlichkeit mit denen des Menschen teilten und die Größe der Organe für die Kinder passten, schätze ich die Erfolgschancen der Operation für sehr gering.

Keinen meiner Bedenken musste ich laut aussprechen, da Nicolas sie an meinen besorgten und leicht schockierten Blick ablesen und erahnen konnte. Ohne auf sie einzugehen, machte er weiter mit seinen Vorbereitungen für die Operation. Ich musste mich mit meinen Sorgen also abfinden und fragte Nicolas lieber, wie er denn genau vorhabe, die Kräfte des Steins einzusetzen, um die Kinder wiederzubeleben. Nun gestand mir der Bursche, dass er selbst nur eine Theorie hatte, wie es funktionieren könnte und ihm, bis zum heutigen Tag, nur die Transmutation von unedlen Metallen in Gold gelang. Von der fehlenden Erfahrung mit dem Stein der Weisen war ich etwas überrascht, ließ in mir aber keine Zweifel gedeihen, als ich Nicolas Zuversicht sah, dass das Experiment glücken würde und wollte dieselbe ausstrahlen. Jedoch fiel mir eine gewisse Unsicherheit in seiner Stimme auf, als er über seinen Plan sprach, die mir eigentlich hätte zeigen müssen, dass Nicolas mir etwas verschwieg. Bevor dieser Gedanke mich aber völlig erreichen konnte, wurde er von meinem Arbeitseifer niedergerungen, der ihn leider für sinnlos erachtete.

Nach des Burschen Theorie müssten wir die beschädigten Organe gegen die der Schweine eintauschen und dann in jedes Herz und Gehirn einen Splitter vom Stein einfügen, die Nicolas bereits vorbereitet hatte. Wenn wir das geschafft haben, sollte jeder Körper wieder zugeflickt werden und eine Brühe verabreicht bekommen, die ein Gemisch aus dem Stein der Weisen und Rotwein ist. Wie ich bereits recht am Anfang erwähnte, steht in den Legenden geschrieben, dass der Stein der Weisen in Kombination mit Rotwein ein Allheilmittel auf jede Krankheit verspricht. Ein weiterer Effekt soll aber die Verjüngung und das Beenden des Alterungsprozess sein. Aurum Potabile bzw. Trinkbares Gold wird diese Verbindung auch genannt.  

Nicolas glaubte hingegen, dass in Aurum Potabile auch der Schlüssel zur Wiederbelebung der Toten steckte. Mit dem Gemisch sollten alle Wunden im Leib der Kinder heilen und der Körper wieder in einen Zustand gebracht werden, den die Knaben ihr eigen nannten, bevor sie Opfer ihres schrecklichen Schicksals wurden. Damit könnten die Kinder aber noch lange nicht wieder ins Leben zurückkommen. Dafür sind die beiden Splitter vom Stein da, die in Herz und Gehirn hinein verarbeitet wurden. Ihr Zweck war es, den Geist und die Seele zu beinhalten.

Früher wäre mir ein sarkastisches Lachen entkommen, wenn mir jemand über die Seele und den Geist des menschlichen Körper erzählt hätte, doch nach dem gestrigen Tag hab ich meine Abneigung gegenüber der Thematik kurzfristig vergessen, um den Burschen eine Chance zu geben, sich zu beweisen. Der Stein im Kopf sollte den Geist und damit die Vernunft und den Charakter des Toten beherbergen. Der Stein im Herzen sollte die Seele und damit das Leben in die Leiber zurückbringen. Ob der Geist und die Seele nun wirklich die von Nicolas geschilderten Funktionen im Körper haben, wenn sie existieren, weiß ich bis zu diesem Augenblick nicht, in welchem ich diese Briefe verfasse und muss gestehen, dass es mir ziemlich egal war. Damals war nur das Ergebnis wichtig.

So beugte ich mich Nicolas Plan und nahm die Operation vor. Mit einem schwarzen Kittel um meine Kleider gespannt, öffnete ich jeden Körper und ersetzte die Lungen und Herzen gegen die der Schweine. Mich überraschten die geringen Spuren von Verwesung, die die Leiber zeigten, doch ich schenkte diesem Fakt kaum Bedeutung, da ich viel zu sehr in meine Arbeit vertieft war.

Während ich mit den Kindern beschäftigt war, schmolz Nicolas einige größere Stücken vom Stein der Weisen in dem Schmelzofen, welcher er mit großen Mühe rausschlagen musste. Wie die geringe Schmelztemperatur mit der hohen Stabilität des Steins zusammen stand, empfand ich als einer der verblüffendsten Eigenschaften des Steins der Weisen, die sich meinem Verständnis entzogen. Aber auch dem Burschen schenkte ich keinen zweiten Blick, denn meine volle Aufmerksamkeit wurde von meiner Aufgabe in Anspruch genommen.

Jegliches Mitleid gegenüber den armen Kindern und Vorbehalte, an ihren Leibern zu experimentieren, waren wie verblasst, nachdem ich endlich anfangen konnte. Ich fühlte mich wieder wie ein junger Mann, der sich den Wissenschaften völlig hingeben konnte.

Anfangs tat ich meine Studien und spätere Experimente jedoch nur, weil ich bereits in Kinderschuhen daran glaubte, dass ich für Größeres bestimmt sei und mich nach den Ruhm sehnte, der mit den Erfolgen einherging. Die Grundgesetzte der Natur und die Überwindung eben jener erregten vor allem mein Interesse.

So suchte ich nach dem Stein der Weisen als Kind selbst, erforschte die Naturphilosophie und wurde vom Leben wie Tod, und dessen Überwindung, besonders angezogen. Kaum begannen meine Forschungen, inklusive meiner größten Niederlage, vergaß ich aber mein Streben nach Ruhm und wurde von einer eigentümlichen Leidenschaft befallen, die ich mit nichts anderem vergleichen kann.

Dieses Gefühl, seiner Umgebung zu entweichen, und vollkommen in der Arbeit aufzugehen, war teils erschreckend, wenn ich jetzt im hohen Alter daran zurück denke. Mein Umfeld erschien dabei immer in einem dichten Schwarz, welches die Sicht auf alle Ereignisse, seien sie politischer oder gesellschaftlicher Natur, nahm und mich alles vergessen ließ, bis nur noch das urtümlichste Selbst meines Verstandes vorhanden war, das meinen Körper fast reflexartig steuerte.

Selten hatte ich dabei das Gefühl, etwas bewusst zu tun oder die vollkommene Kontrolle über meinen Leib und Geist zu haben. Ein Schelm würde sagen Gott hätte mich geleitet, ich aber bin der Meinung, dass ich zu diesen Zeiten mich meinen Instinkten hingeben konnte, die sich nicht auf das Jagen oder Überleben beschränkten, sondern darauf abzielten, neues Wissen anzuhäufen, um sich das Leben zu vereinfachen.

Dieser Rausch hatte aber auch seine schlechten Seiten. So vergaß ich meine Lieben in der Heimat und ließ ihre Briefe unbeantwortet, die mit der voranschreitenden Zeit, in denen ich ihnen eine Antwort schuldig blieb, sorgenvoller wurden. Auch mein Körper wurde zu dem Schatten seines früheren Selbst, der ein gar grässlicher Anblick für jeden sein musste.

Aber nach meiner Niederlage, erlitt ich ein Nervenfieber, welches ich nur durch die Pflege eines meiner besten Freunde überstand, der nach Ingolstadt reiste, um seine eigenen Studien zu beginnen und nach meinem Befinden zu schauen, da mein Schweigen gegenüber meiner Familie nun seit zwei Jahren anhielt.

Nach meiner Genesung reiste ich nach Genf zurück und widmete mich der Medizin in ihrer Gänze und konzentrierte mich darauf, das Leben der Menschen zu verbessern und zu verlängern. Ich beteiligte mich nur noch an wenigen Forschungen, da das Echo meiner Niederlage stets in mir erneut aufklang.

Doch die Forschung des Burschen hat diesen alten Funken wieder in mir entfacht, nach den ich mich sehnte, aber dessen Konsequenzen ich eigentlich fürchtete, die aber nun von der brennenden Leidenschaft, welche sich meiner erneut bemächtigte, jegliche drohende Wirkung verlor.

Verzeih mir Johan, dass du dich durch die Abschweifungen eines alten Mannes am Sterbebett durchkämpfen musst, aber ich will dir nichts von den Geschehnissen und meinen Empfindungen, die ich bei diesen verspürte, vorenthalten.

Die Operationen gelangen völlig ohne Probleme und ich setzte die tierischen Organe in die Leiber ein. Ich fragte aber Johan, warum Aurum Potabile nicht die zerstörten Herzen und Lungen heilen könnte, wenn es doch den restlichen Körper verjüngen sollte. Erneut zeigte sich, wie wenig Nicolas eigentlich über den Stein der Weisen wusste, denn er war sich selbst nicht sicher, warum das Trinkbare Gold hier nicht half.

Er hatte schon mehrere Experimente an toten Tieren und ja, auch toten Menschen gemacht, die ähnlich schwerwiegende Verletzungen hatten. Bei allen Testsubjekten half das Aurum Potabile, den Körper großflächig zu heilen, scheiterte aber bei den Wunden, die gravierend waren.

Nicolas schloss daraus, dass der Stein und seine Fähigkeiten ihre Grenzen hatten, und nicht alle Versprechen, die in den Nachlieferungen geschildert wurden, einhalten könnten. Trotzdem hoffte der Bursche, dass der Austausch der Organe vielleicht die Lösung für das Problem sein könnte. Verwundert fragte ich mich, warum Nicolas seine Hypothese nicht schon längst versucht hatte, zu beweisen und seinen toten Bruder als eines der ersten Versuchsobjekte verwendete.

Aber auch diese Gedanken hatte ich schnell wieder vergessen, denn nun war der Bursche mit seinen Aufgaben fertig und hatte für jeden Knaben einen Becher mit Aurum Potabile vorbereitet.

Langsam flößten wir jedem Kind das Allheilmittel ein und warteten gespannt, ob die Theorie des Burschen aufging. Zuerst schien nichts zu geschehen, doch die kleineren Narben der Knaben, fingen an zu verheilen und ihre Körper zeigten Spuren des versprochenen Verjüngens.

Nur die fünf tiefen Narben, die die Brust jedes Jungen zeichneten, blieben unverändert. Als die wundersame Genesung ihr Ende fand, fingen die Leiber der fünf Kinder an, wild zu zucken. Jeglicher Muskel verkrampfte sich und hätte einem normalen Menschen furchtbare Schmerzen beschenkt. Angewidert betrachteten wir das groteske Schauspiel und waren beide erleichtert, als es so schnell abebbte wie es begann.

Die darauffolgenden Sekunden zogen sich wie Jahre hin und ließ dem Burschen und mir den Atem anhalten. Wir betrachteten die reglosen Körper und hofften auf irgendein Zeichen des Triumphs und wurden nicht enttäuscht. Mit steifen Gliedern richtete sich der erste Knabe langsam auf und öffnete seine Augen. Gefolgt wurde das Kind von den anderen Jünglingen, darunter auch Noah. Nicolas schien vor Erleichterung fast in sich zusammen zu fallen und umarmte seinen kleinen Bruder mit Tränen in den Augen.

Wie erstarrt blickte ich auf unser Werk und machte mir langsam bewusst, dass wir es geschafft hatten, den Tod zu bezwingen. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Gefühle mich ergriffen. Fast wäre ich genau wie der Bursche in Tränen ausgebrochen und hätte freudig die Kinder umarmt. Dieser Wunsch erstarb aber, als ich in die Augen der Wiedererweckten blickte.

Wo eigentlich kindliche Naivität und Freude hausen müsste, war eine kalte Leere eingetreten. Mit starrem Blick und weit aufgerissenen Augen betrachteten die Wiedererweckten ihre Umgebung und zeigten nicht die geringste Spur von Emotionen. Selbst Noah blieb durch seine Wiederbelebung und Nicolas Umarmung völlig unberührt und teilte die ausdruckslose Miene der anderen Knaben.

Nachdem des Burschen Euphorie abgeklungen war und er die Umarmung löste, um seinen kleinen Bruder zu betrachten, fiel ihm zum ersten Mal der Blick von Noah und den anderen vier auf. Sofort trat er überrascht ein paar Schritte zurück, bis er wieder neben mir stand und verweilte dort ein paar Augenblicke reglos, um die Lage kurz einzuschätzen.

Mehrfach redete der Bursche Noah mit seinem Namen an, erhielt jedoch keine Reaktion von seinem Bruder, bis auf das leblose Starren, mit welchem die Wiedererweckten den Raum und dessen Einrichtung ansahen. Ein lautes Klatschen von Nicolas aber erregte die Aufmerksamkeit jedes Knaben, die alle wie auf Befehl ihren Blick gleichzeitig auf den Burschen richteten.

Es war furchterregend, wie diese kalten Augen zuerst Nicolas und dann mich musterten, bevor sie sich wieder lösten und dann ziellos von Blickpunkt zu Blickpunkt übergingen. Von den Ergebnissen etwas verwundert und enttäuscht, waren der Bursche und ich uns einig, erstmal eine allgemeine Untersuchung an den Knaben vorzuführen, um sicherzugehen, dass ihre Körper gesund waren und die Schweine Organe ihnen keine Schwierigkeiten machten. Die Untersuchungen zu ihren kognitiven Fähigkeiten wollten wir aber verschieben, da die Kinder ganz klar ihre kompletten geistigen Fähigkeiten noch nicht zurück erlangt hatten.

Ihre Körper wiesen keine Besonderheiten, bis auf die schwieligen Narben auf ihrer Brust, auf und ein Unwissender hätte meinen können, dass die fünf niemals den eisigen Griff des Todes gespürt hatten. Was mir aber auffiel, war, dass die Wiedererweckten über keine Körperspannung verfügten und mich nicht beachteten oder sich wehrten, als ich sie untersuchte.

Ratlos, was wir als nächstes tun sollten, beschloss der Bursche, den Knaben erst einmal etwas zu essen zu geben und in ihre Unterkunft zu bringen, die sich im dritten Stockwerk des Fachwerkhauses befand. Dabei mussten wir die Kinder an den Händen nehmen und langsam die Treppen hinaufführen. Erneut beugten sie sich unseren Willen, ohne den Versuch, sich zu sträuben und liefen mit etwas steifen Beinen mit uns.

Oben angekommen, verschlangen sie gierig ihr Essen, welches ihnen Nicolas brachte und ließen dabei jeglichen Anstand und Sitte fehlen. Essensreste klebten ihnen an Kleidung, Gesicht und vor allem an den Händen, die sie anstelle des Bestecks verwendeten und versuchten sich gähnend auf den Boden zu legen, um zu schlafen, als sie mit ihrem Mahl fertig waren.

Bevor ihnen das gelang, eilten Nicolas und ich dazwischen und führten sie zu ihren Betten, nachdem wir sie von den Essensresten gesäubert hatten. Die Betten waren von erstaunlicher Qualität, was die Wiedererweckten wohl auch zu schätzen wussten, denn sie schliefen innerhalb Sekunden ein und zeigten, zu der Erleichterung des Burschen und mir, ein breites und zufriedenes Lächeln. Auch wenn es uns beruhigte, dass die Kinder nun ein wenig Emotionen zeigten, blieben wir beide bei ihnen und wachten über sie wie ein Schäferhund über eine Schafsherde, um sicherzugehen, dass der Tod in Form eines Wolfes, sie nicht wieder holen wollte.

Während unserer Wache wechselten Nicolas und ich nur wenig Wörter, kamen aber zu dem Schluss, dass die Gefühlskälte der Wiedererweckten nur temporär sein müsste und sie ihr altes Wesen mit der Zeit zurück gewinnen würden.

Auch wenn der kleine Schock, den wir bei der ersten Sichtung des geglückten Experimentes erlitten, mich noch leicht im Bann hatte, schien Nicolas ihn schon längst vergessen zu haben, denn er betrachtete die Knaben, und ganz besonders seinen kleinen Bruder, mit einem erleichterten und glücklichen Lächeln. Es stimmte mich ebenfalls froh, den Burschen so zu sehen. Trotz alle dem, konnte ich dasselbe nicht über die Wiedererweckten sagen.

Vor mir sah ich nicht fünf arme Seelen, die zufrieden schliefen, sondern ihre starren Blicke, welche sie auf mich richteten. Dieser Anblick verfolgt mich bis heute und es war mir schon damals klar, dass dieses Bild immer zwischen mir und den Kindern stehen würde und jede Empfindung, die ich ihnen entgegen bringen könnte, mit einer Prise Abscheu versauern würde.

Unser Erfolg ließ mich aber auch mit einem gewissen Gefühl der Ironie und des Erstaunen zurück, wie leicht sich die Wiedererweckung der Toten doch gestaltete.

Nach etlichen Stunden sind auch wir auf unseren Stühlen eingeschlafen, von wo aus wir die Jünglinge beobachteten. Ein Sonnenstrahl, der durch das Fenster schien und mich im Gesicht traf, weckte mich aus meinen dünnen Schlaf. Ich merkte sofort, dass einige meiner Glieder steif waren oder unter Verspannungen litten.

Dem Burschen ging es ähnlich, als er kurze Zeit nach mir mit einen schmerzerfüllten Seufzer aufwachte und sich den steifen Nacken rieb. Auch die Kinder erwachten recht zügig nach uns und streckten sich ausführlich. Sie hatten zwar nicht mehr dasselbe beunruhigende Aussehen wie am gestrigen Tag, aber erneut konnte keine genauen Emotionen festgestellt werden. Sie blickten bloß auf uns, mit einer neutralen Miene und warteten darauf, dass wir etwas tun würden.

Nicolas' freudiger Ausdruck war ihm entwichen und er stand mit ernster Miene von seinem Stuhl auf und wollte unverzüglich mit den Versuchen starten.

Die darauffolgenden zwei Wochen möchte ich nur kurz beleuchten, da hier erstaunlicher Weise wenig geschehen ist. Wir führten an den Kindern weitere Tests durch, um ihr Gedächtnis, Lernfähigkeit und Fähigkeiten Probleme zu lösen, zu untersuchen. Anfangs waren die Ergebnisse recht enttäuschend und die Knaben zeigten nur wenig Interesse, die Aufgaben zu lösen.

Nicolas wurde jedes Mal, wenn sie scheiterten oder es gar nicht erst versuchten, fuchsteufelswild und ließ sie erst gehen, wenn sie einen Erfolg hatten oder er von ihnen entnervt wegging. Solch Benehmen war ich von dem Burschen nicht gewohnt und es machte mich neugierig, warum er auf schnelle Erfolge so penetrant pochte.

Bei jeder Aufforderung, sein Benehmen zu erklären, wich er mir zornig aus und sagte, dass er einfach nur möchte, dass die Wiedererweckten ihr altes Wesen wieder bekommen. Es war recht offensichtlich, dass das nur eine billige Ausrede war, um meinen Fragen zu entkommen. Ich beschloss aber widerwillig, ihm sein Benehmen vorzeitig durch gehen zu lassen, um unser Arbeitsverhältnis nicht weiter zu belasten.

Erneut erinnerte er mich ein wenig an mein jüngeres Selbst, das so von Leidenschaft zerfressen war, dass jegliches Hindernis, welche den steten Fortschritt aufhielt, seinen Zorn erregen musste.

Mir fiel außerdem auf, dass Noah eine Abscheu vor Feuer zu besitzen schien, die keines der anderen Kinder mit ihm teilte. Als ich Nicolas danach fragte, erzählte mir der Bursche, dass zu den Lebzeiten seines Bruders, ihr früheres Haus niedergebrannt sei und Noah aus diesem, im letzten Moment, gerettet werden konnte und er seit diesem Tag jegliche Flammen bestmöglich mied.

Ich schenkte Nicolas glauben, so erfüllte es den Knaben mit Abscheu an den brennenden Kamin zu treten und wenn es so kalt wurde, dass er sich wärmen musste, so wendete er den Flammen nur seinen Rücken zu und hielt einen Sicherheitsabstand. Auch Kerzen waren dem Jüngling verhasst, wodurch wie diese aus den Gemach der Wiedererweckten verbannen mussten.

Freudig war aber, dass die Wiedererweckten mit der Zeit immer mehr Erfolge hatten. Sie waren nach einer Woche in der Lage leichte Gedächtnisaufgaben zu bewältigen und zeigten, dass sie fähig waren zu lernen. So testeten wir ihr Gedächtnis mit einem Hütchen Spiel, wo wir einen Kieselstein unter eines der drei Hütchen lagen und es den Kindern zeigten, bevor sie langsam miteinander verdrehten.

Natürlich taten wir dies nicht in derselben Geschwindigkeit, wie die Trickbetrüger, die ahnungslose Passanten gern um ihr Geld erleichtern wollen. Und um ihre Lernfähigkeit zu verbessern, zwangen wir sie bei jedem Essen, Besteck anstelle der Hände zu benutzen und erst anzufangen, wenn wir es ihnen gestatteten.

Dabei weigerten sie sich aber immer, das Messer zu benutzen und schienen sogar eine Abscheu davor zu haben, es anzufassen. Nach ungefähr anderthalb Wochen beugten sich auch hier die Jünglinge, welche aber zuvor sich jedes Mal sträubten und uns wütend anfunkelten, wenn wir ihnen das Essen wegnahmen, als sie nicht auf uns hörten.

Eben jenes verängstigte mich aber nicht, sondern gab mir ein Gefühl des Erfolgs, denn sie verhielten sich endlich wie normale Kinder. Sie waren zornig auf uns, wenn wir sie zu etwas zwangen oder bestraften, lachten aber auch und waren glücklich, wenn wir sie belohnten.

Ihre Belohnung bestand meist daraus, dass wir mit ihnen nach draußen gingen und ihnen neues Spielzeug schenkten und damit spielen ließen. Um ihre Existenz vorzeitig noch geheim zu halten, konnten wir sie nur in dem Garten des Fachwerkhauses spielen lassen, der von dem Zaun arg eingeengt wurde. Doch den Kleinen machte das recht wenig aus und sie konnten sich trotzdem amüsieren.

Selbst Nicolas verlor etwas von seinem hitzigen Temperament und hat den Kindern ihren Spaß gelassen. Dabei wirkte er aber immer angespannt und nagte öfters nervös an seinen Fingernägeln. Mehr als fünfzehn Minuten hielt der Bursche es selten aus, bis er die Kinder zurück ins Haus nahm, um weiterzumachen.

Seine Ungeduld verschlimmerte sich täglich und machte ihn zu keinen besonders angenehmen Arbeitspartner. Etwas froh war ich aber, wenn wir zurück ins Haus konnte, denn mit den beginnenden Winter, kam nicht nur die Kälte, sondern auch Ungeziefer wie Spinnen und Ratten, die sich einen warmen Unterschlupf suchten, wo sie überwintern könnten.

Immer häufiger sah ich die mit Krankheiten verseuchten Nager um das Haus herum rennen und Spinnen in Dachbalken oder sogar im Haus ihre Netz errichteten, um für ihre unglückliche Beute eine Falle aufzustellen. Meinen Ekel hatten die Knaben wohl mitbekommen und hatten sich einer der Spinnen geschnappt, um mich mit ihr zu erschrecken, als ich in einige Dokumente vertieft war.

Ihr Plan ging voll auf und ich schrie vor Schreck, als der Achtbeiner auf mein Dokument landete und stolperte beim Versuch, rückwärts vor dem Insekt zu fliehen und fiel auf mein Hinterteil. Die Kinder brachen in ein Gelächter aus, welches sie krümmen ließ und ihnen Tränen in die Augen brachte.

Natürlich bestrafte ich sie dafür und schickte sie unverzüglich in ihr Bett, welches ihnen fast nichts ausmachte, da sie noch in ihre Schadenfreude vertieft waren, zeigten aber einige Spuren von einem aufkommenden Schuldgefühl.

Einerseits war ich außer mir, da nie eines meiner Kinder ein solches Schauspiel mit mir je gewagt hatte, andererseits war ich von den Erfolgen begeistert, den die kleinen Quälgeister erlangt hatten. Sie waren nicht nur in der Lage eine Situation zu deuten und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, sondern auch Spaß und Schuld zu fühlen.

Ihr Verständnis unserer Sprache schien auch endlich perfekt zu funktionieren. Meine letzte Hoffnung war, dass sie bald selbst sprechen könnten. Fast wäre ich stolz auf sie gewesen, aber der schreckliche Anblick ihrer toten Augen blieb stets bei mir und verhinderte derartige Empfindungen.

Diese Idylle hielt jedoch nur zwei Wochen vor. Nach einigen geglückten Tests gingen wir mit den Kindern erneut nach draußen. Eine dicke Schneeschicht bedeckte den Garten und bot den Jungen die Möglichkeit, sich mit Schneebällen abzuwerfen. Seit drei Tagen hatte es jeden Tag geschneit und anfangs waren Nicolas und ich etwas besorgt, als Schneeballschlachten entflammten.

Wir zügelten aber unsere Paranoia, um die Wiedererweckten nicht mit eben jener zu ersticken und gaben ihnen etwas Freiraum. Doch nach fünfzehn Minuten gewann die Ungeduld in dem Burschen die Überhand und er wies die Kinder barsch an, wieder ins Haus zurückzukehren. Auch wenn ich einen emotionalen Abstand zu den Wiedererweckten pflegte, empfand ich den Ton von Nicolas mehr als nur unangebracht.

Die stetigen Ausflüchte und Unfreundlichkeiten, die ich die letzten Tage über mich ergingen ließ, loderten den Zorn in mir an und ich forderte von dem Burschen zu wissen, warum sein Benehmen mir und den Kindern gegenüber von so einer übelgelaunten Natur war.

Es entbrannte schnell ein lautstarker Streit zwischen uns, als Nicolas merkte, dass ich mich mit den üblichen Ausreden dieses Mal nicht abfinden würde. Was im Streit genau gesagt wurde oder welche Beschimpfungen wir uns gegenseitig an Kopf warfen, kann ich nicht mehr sagen. Ich erinnere mich einzig an die Schreie eines der Jungen.

Jedes der Kinder hasste es, wenn Nicolas und ich uns stritten. Sie versuchten immer an einen Ort zu flüchten, wo sie unsere Ausflüche nicht hören konnten oder verkrochen sich eingeschüchtert und leicht ängstlich in eine Ecke. Solch ein Verhalten konnte ich auch bei meinen Kindern entdecken, als es zu den wenigen intensiven Meinungsverschiedenheiten kam, die ich und meine Frau hatten.

Als die Jungen also bemerkten, dass Nicolas und ich erneut einen Streit miteinander hatten, drückten sie sich durch den Zaun, um diesen zu entkommen. Weit kamen sie aber nicht, als einer der Jungen versehentlich auf eine Ratte trat, die unter dem Schnee begraben lag. Das Biest war aber nicht tot und griff deswegen den Jungen an.

Die Zähne des Nagers gruben sich tief in die Hand des Unglücklichen und rissen eine tiefe Wunde hinein. Vor Schmerzen kreischend, wirbelte der Junge seinen Arm herum und schleuderte die Ratte von der blutenden Hand weg. Sofort war der Zwist zwischen Nicolas und mir niedergelegt und wir eilten mit einem Holzknüppel bewaffnet, den wir für solche Situationen bereithielten, zu dem Jungen. Nötig war die Bewaffnung aber nicht, da das Biest von seinem Opfer abließ und schnell davon huschte.

Weinend saß das Kind im Schnee und hielt sich die Hand. Wir brachten ihn und die restlichen Jungen wieder ins Haus, nahmen den Verletzten aber ins Labor, um ihn zu versorgen. Die restlichen Wiedererweckten schickten wir in ihr Zimmer, die dem Befehl mit leicht schockierte Miene Folge leisteten.

Ich verband die Wunde und sprach dem Jungen gut zu und es gelang mir tatsächlich, ihn zu beruhigen. Leider konnte ich nichts gegen die Schmerzen tun, die den Verletzten quälten. Von den Geschehnissen übermannt, entschuldigte sich Nicolas bei mir für sein Benehmen und nahm die Schuld für den Unfall auf seine Schultern, da es auf seinem Fehlverhalten fußte.

Einen genauen Grund, warum er sich so verhielt, gab er mir nicht, versprach aber, dass er sich in Zukunft zügeln würde, damit so etwas nicht mehr passiert. Widerwillig nahm ich seine Entschuldigung an, ließ mir dies aber nicht anmerken, da der Bursche nun mein Vertrauen verloren hatte und ich mir vornahm, verborgene Ermittlungen einzuleiten, um die Geheimnisse von Nicolas aufzudecken.

Bei der Versorgung des Jungen musste ich aber feststellen, dass ich seinen Namen nicht kannte. Bis zu diesem Punkt nahm ich die Kinder nur als Kollektiv war und betrachtete sie als das Produkt eines geglückten Experimentes und nicht als Menschen.

Gestützt wurde diese fehlerhafte Denkweise durch den schrecklichen ersten Eindruck, den die Wiedererweckten bei mir hinterlassen hatten. Wie der Junge nun aber auf dem Tisch lag und sich die schmerzende Hand hielt, wurde mir der Fehler in meiner Einstellung schmerzlich bewusst und es breitete sich ein Schamgefühl in mir aus.

Den restlichen Tag über behielt ich den Jungen im Auge und sorgte dafür, dass kein weiterer Unfall geschah. Natürlich war dieses Verhalten völlig paranoid, trotzdem konnte ich die Sorgen, die von Stunde zu Stunde schlimmer wurden und mich plagten, nicht einfach ignorieren. Nicolas ging es ähnlich, denn er tat es mir gleich und bewachte die Kinder, als ob das Leben von jedem bedroht wurde.

Am nächsten Morgen weckte uns der Verletzte auf, der heulend zu uns kam und deutlich unter Schmerzen litt. Meine schlimmsten Befürchtungen bejahten sich, als ich die Wunde des Jungen sah. Seine Hand war von Wundbrand anheimgefallen, die der Rattenbiss ausgelöst hatte. Die fünf Finger waren violett bis schwarz gefärbt, wiesen ein weiche und leicht feuchte Konsistenz auf und gaben ein fauligen Geruch ab.

Selbst für mich war der Anblick von Wundbrand jedes Mal abscheulich, vor allem wenn es ein Kind befiel. Die schnelle Ausbreitung des Wundbrandes schockierte mich aber, da ich sie in einer derartigen Geschwindigkeit noch nie gesehen hatte. Handrücken und Handball wiesen auch schon Spuren einer Infektion auf.

Nicolas' erste Lösung war Aurum Potabile zu nutzen, doch dieses verfehlte seine Wirkung und ließ lediglich die Bisswunde heilen. Verzweifelt versuchte Nicolas eine Lösung zu finden, indem er die geschmolzenen Stücke des Steins der Weisen und Rotwein in unterschiedlichen Mengenverhältnissen miteinander vermischte.

Nach dem ersten gescheiterten Heilungsversuch aber wusste ich, dass es nur eine Lösung gab: eine Amputation. Der Bursche war anfangs schockiert von meinem Plan und diskutierte mit mir, ob es keinen anderen Weg gäbe, bevor er einsah, dass es die einzige Möglichkeit war, den Jungen zu retten.

Wir legten den Unglücklichen auf den metallenen Tisch im Labor und fesselten ihn, damit er nicht zu viel herumzappeln konnte. Angst erfüllt blickte er uns abwechselnd an, als wir ihm ein Holzlöffel in den Mund gaben, worauf er beißen konnte, wenn wir beginnen würden. Nicolas legte den Boden mit einer Plane aus und bereite einen weiteren Becher Aurum Potabile vor, sodass wir damit wenigstens die offene Wunde sofort heilen könnten.

Wenige Minuten vor der Operation waren das Abmühen Nicolas und das stete Schlagen auf den Stein der Weisen, um ein Stück aus ihm herauszuschlagen, das einzige, was den Raum erfüllte. Sich seines bevorstehenden Schicksals bewusst, verlor das Kind jegliche Farbe aus seinem Gesicht und schaute mich flehend an, als ich die Werkzeuge für die Amputation bereitlegte. Wie ein Wilder stemmte er sich gegen seine Fesseln und fing hysterisch an zu heulen. Es schockierte mich arg, dass er scheinbar genausten wusste, was nun passieren würde.

Von Schuld erfüllt, stieg ich nach oben, um diesen Blick zu entgehen. Nicolas erzählte ich aber, dass ich die Kinder oben einsperren werde, damit sie kaum etwas von der Operation mitbekommen müssten. Ich log den Burschen aber nicht an und machte mich sofort zu den Zimmern oben auf, um die Wiedererweckten dort einzuschließen.

Ein kurzen Blick tat ich aber in das Zimmer und sah die vier Jungen, die mich besorgt von ihren Betten anschauten. Kein Wort brachte ich hervor und verschloss die Tür hinter mir so schnell, wie ich sie geöffnet hatte.

Als ich mich einigermaßen gesammelt hatte, sperrte ich die vier Knaben ein und machte mich zurück ins Labor auf. Währenddessen war Nicolas mit den Vorbereitungen fertig und wartete unruhig auf mich. Es war mir klar, dass weiteres Hinauszögern die Qualen des Jungen nicht lindern oder den Wundbrand an seiner Hand magisch heilen würde und ich gab dem Burschen ein Zeichen, dass die Operation beginnen kann.

Zuerst machte Nicolas den betroffenen Arm frei und hielt ihn so fest, dass die erkrankte Hand über die Kante des Tisches hinausragte und dann nach dem Entfernen auf die Plane fallen würde. Das Kind fing an sich bestmöglich zu wehren und gab immer wieder ein eingeschüchtertes Winseln von sich. Ohne weiteres Zögern nahm ich das Messer und fing an.

Erneut möchte ich dich von den Details des Vorgangs verschonen. Lass mir dir lediglich sagen, dass es nur an die vier Minuten andauerte, diese jedoch mit den erstickten Schmerzensschreien des Jungen erfüllt waren. Die Fesseln hielten nur knapp die Gegenwehr des Jungen aus, der die Operation mit Mühen überlebte, aber kurz vor dessen Beendigung in Ohnmacht fiel. Aurum Potabile erfüllte aber seine Aufgabe und ließ die Wunde verheilen.    

Kurz betrachtete ich mein Werk, um mich zu vergewissern, dass alles verheilt war und der Junge den Eingriff überlebt hatte. Auch wenn das bleiche Gesicht des Jünglings einem Toten glich, konnte ich erleichtert feststellen, dass er noch atmete. Nicolas und ich säuberten und brachten ihn in sein Zimmer zurück.

Dort mussten wir aber einen törichten Fehler einsehen, den wir getan hatten. In der Aufregung, die uns vor der Operation ergriff, hatten wir vergessen, die Tür zum Labor zu schließen. Und so konnten die erstickten Schreie des unter Qualen liegenden Jungen in alle Winkel des Hauses vordringen und so auch die vier Kinder erreichen.

Die Besorgnis, die zuvor die Blicke der Jünglinge füllten, war durch eine panische Furcht ersetzt wurden, die jedes Stück ihrer Leiber ergriff und sie ängstlich zusammenzucken ließ, als wir den Raum betraten. Meine Kleidung, die einige kleine Blutflecke abbekam, verbesserte ihre Gemütslage nicht. Bei jedem Schritt, den wir näher kamen, um den Verletzten in sein Bett zu legen, wichen die vier Knaben in die Ecke, die am weitesten von uns entfernt war und drückten sich zitternd gegen sie.

Nicolas versuchte langsam auf seinen Bruder Noah zu zugehen, der sich mit den anderen drei Knaben zusammenkauerte, und wollte ihm versichern, dass keine Gefahr von uns ausging. Nicht einmal drei Meter konnte er sich nähern, als die Kinder vor Angst in Tränen ausbrachen und mit verzweifelter Gestik hektisch nach Gnade winselten. Anfangs war ich genauso von der Situation überrumpelt wie Nicolas, der schnell von den Knaben wegging, als diese anfingen zu weinen, doch dann kam mir eine Theorie, die den plötzlichen Gesinnungswandel erklären könnte.

Schreckliche Schreie, die von einem dunklen Keller herkommen, ein verstümmelter Junge, der von dem Mann zurück in den Raum getragen wird, der ihm das antat und nun die Furcht, der Nächste zu sein, der in den Keller gebracht wird und unter Todesqualen leiden muss. All das waren Kernstücke der Ereignisse, die die letzten Tage der Kinder geprägt hatten, die sie bei ihrem Mörder verbringen mussten. Und nun, wiedererweckt von den Toten und in den Besitz einer kindlichen Unschuld, die ihnen in ihrer Folter genommen wurde, hatten sie eine ähnlich Abfolge von Geschehnissen beobachtet wie zu den Zeiten, welche sie unter ihrem Peiniger erdulden mussten. Damit hatten Nicolas und ich ihre alten Erinnerungen zurückgebracht, die besser in ihrem Grabe hätten ruhen sollen. Nur, dass in den Augen der Knaben, die Rolle vom Mörder von dem Burschen und mir eingenommen wurde.

Wie weit meine Theorie der Wahrheit entsprach, wirst du im Laufe der weiteren Erzählungen erfahren.

Lange diskutierte der Bursche und ich über das weitere Vorgehen und wie wir mit den Kindern nun umgehen sollten. Auf eine zufriedenstellende Lösung kamen wir nicht. Unsere einzige Idee war es, ihnen Freiraum zu geben und uns von ihnen fernzuhalten. Wir ließen also die Knaben in ihrem Zimmer in Ruhe und brachten ihnen von Zeit zu Zeit etwas zu essen und zu trinken, welches sie nur anrührten, wenn wir nicht im Raum waren. Jegliche Tests mussten wir einstellen, welches die Missgunst von Nicolas weckte, diese von ihm aber versucht wurde zu verbergen.

Am nächsten Abend ereilte uns aber schon der nächste Zwischenfall. Die Nacht war seit gut zwei Stunden eingebrochen und ich war in meiner Schlafkabine und verfasste einige Briefe, die ich an Freunde von diversen Universitäten schicken wollte, um sie zu fragen, ob sie von Nicolas gehört haben oder ihn kennen.

Der Bursche hatte mir nie gesagt, an welcher Universität er studiert hatte, doch aufgrund seiner dialektfreien Aussprache der deutschen Sprache nahm ich an, dass er vermutlich im Deutschen Bund gelernt hatte. Unterstützt wurde meine Theorie durch die Erwähnungen des Burschen über seine französischen Wurzeln und dass er in Bayern zur Welt kam.

Natürlich war das nur eine sehr grobe Vermutung, die auf Spekulation fußte, aber ich wollte mein Glück herausfordern. Ich wurde jedoch von einem Rascheln gestört, das ich von dem Dachgeschoss, in welchen die Kinder schliefen, und von den Außenwänden vernahm.

Seit die Temperaturen gesunken waren, hatten sich einige Ratten in unserem Haus eingenistet. Ständig konnte ich hören, wie die Biester sich durch die Wände bewegten und an diesen kratzten. Ihre Anzahl blieb jedoch so gering, dass wir keine Maßnahmen ergreifen mussten.

Außerdem hielten sich die Nager nur in den Wänden auf und trieben sich meist im ersten Stockwerk herum. Auch Spuren von Rattenkot und das Fehlen von Nahrungsmittel blieb aus, weswegen wir die Ratten erstmal in Ruhe ließen. Nach dem Angriff vor zwei Tagen aber, hatte sich meine Paranoia wieder gemeldet und ich wollte sichergehen, dass den Wiedererweckten nicht noch etwas geschah.

Kurz bevor ich mich aufmachen wollte, hörte ich, dass das Rascheln nicht aus den Wänden kam, sondern von draußen etwas an den Außenwänden herumkratzte. Ich warf einen Blick durch mein Fenster und musste erschreckt feststellen, dass sich aus dem Fenster der Jungen ein Seil, welches aus Bettlaken geknotet wurde, herausstreckte und bis zum Boden hinunterreichte. An ihm hangelte sich einer der Knaben ab, der seine Beine gegen die Außenwand drückte und so versuchte, langsam aus dem Haus zu flüchten. Weit war der Junge aber noch nicht gekommen und ich ging sofort zu Nicolas herüber, um mit ihm die Knaben aufzuhalten.

Schnell einen Plan auszuspinnen, mit dem wir Kinder einfach überrumpelt gekonnt hätten, um so jeden weiteren Schaden zu verhindern, war meine eigentliche Vorstellung gewesen, wie wir jetzt hätten vorgehen sollen. Zu meinem Unglück aber, hatte Nicolas das Rascheln, welches durch den Fluchtversuch erzeugt wurde, auch gehört und war bereits an der Tür zu den Kindern, als ich mein Zimmer verließ.

Entsetzen erfasste den Burschen sowie die Wiedererweckten, als Nicolas das Zimmer betrat und die Knaben bei ihrem Vorhaben erwischte. Panisch wollte nun ein zweiter das improvisierte Seil herunter klettern, doch Nicolas ging dazwischen und zog den Jüngling grob vom Fensterrahmen weg. Die Unruhen hatten aber den Jungen alarmiert, der gerade hinunterkletterte und er beschleunigte seine Mühen. Damit hatte er aber meine Aufmerksamkeit wieder auf sich gezogen, da seine Schuhe nun ein lautes hölzernes Klappern verursachten, als er schnell gegen die Wände trat.

Bevor er am Boden ankam, hatten mich meine müden Knochen nach draußen getragen und ich fing den Knaben ab. Kreischend wehrte er sich, als ich ihn zurück ins Haus zog. Mit kratzen und beißen versuchte er sich einen Weg frei aus meinen Armen zu graben, jedoch erzürnte er mich mit seinen kläglichen Angriffen, wodurch ich meinen Griff so festigte, dass er leichte Schmerzen litt und sich nicht weiter bewegen konnte. 

Die wilden Schreie, mit welchen Nicolas die Knaben beschimpfte, konnten der Junge und ich bereits am Eingang hören. Oben abgekommen, sahen wir, dass der Bursche vor Wut rot anlief und die Jünglinge mit einer Intensität anschrie, die ihnen für ihr törichtes Treiben gerecht war. Vor Angst und Tränen aufgelöst, saßen die Kinder in der Ecke und kauerten sich jämmerlich zusammen, als die Vorwürfe nur so auf sie einschlugen. Jegliches Mitleid war aber in dem Burschen gestorben und er schenkte ihnen kein Erbarmen mit seiner tobenden und zürnenden Predigt. Als er mich und den Jungen bemerkte, schnappte er sich das Kind und warf ihn zu den Anderen und stürmte aus dem Zimmer. Vorher aber sagte er mir, kurz zu warten und darauf aufzupassen, dass sie nicht noch einen Versuch auf Flucht in seiner Abwesenheit tätigen.

Als ich nun den Moment mit den Knaben alleine war, sah ich, dass die beiden Jungen, die der Bursche und ich an der Flucht hinderten, rote Striemen an den Händen hatten, die wir durch unseren eisernen Griff ausgelöst hatten. Schuld peitschte mich, wurde aber von meinem Zorn sofort im Keime erstickt.

Allein mein Blick reichte nun, um die Jünglinge in Schach zu halten, bis Nicolas wieder ins Zimmer kam mit einigen Holzbrettern, Nägeln und einem Hammer. Er zerriss das Seil aus Bettlaken und ließ die Fetzen auf den Holzboden fallen, bevor er das Fenster zu hämmerte. Danach wandte er sich den Wiedererweckten zu und drohte ihnen, dass es beim nächsten Mal nicht bei Worten blieb.

Kaum war der Morgen am nächsten Tag angebrochen, schon hatte sich Nicolas in die Stadt aufgemacht, um einige Erledigungen zu tätigen, die die Kinder nun endgültig an der Flucht hindern sollten. Am liebsten wäre ich ihm heimlich gefolgt, um sein Treiben zu beobachten und vielleicht einen kleinen Einblick in seine Machenschaften zu bekommen. Jedoch musste ich bei den Wiedererweckten bleiben, damit sich der gestrige Abend nicht widerholte.

Gegen Mittag traf Nicolas wieder ein und hatte seine zwei Schergen mitgebracht, die ich bis dahin nur einmal kurz zu Gesicht bekam, als sie die Schweineorgane lieferten. Die zwei Männer befanden sich aber nicht in derselben Kutsche wie Nicolas, sondern reisten mit ihrer Eigenen an. Grund dafür war, dass beide Kutschen mit mehreren Fenstergittern gefüllt waren, die jeglichen Platz in der Kabine wegnahm. Innerhalb einer halben Stunde brachten wir die Gitter an jedes Fenster an. Im Zimmer der Kinder brach wieder ein angsterfülltes Heulen aus, als wir es betraten. Die zwei Schergen blieben von den Jungen völlig unbeeindruckt und wahrten ihre grimmig aussehende Miene. Wie weit die Beiden eingeweiht waren, konnte ich nicht sagen und fragte auch nicht Nicolas, da ich annahm, eine weitere Ausrede zu erhalten. Nachdem alle Gitter angebracht waren, wechselten wir die Haustür gegen eine metallene Tür aus, die sich in der Kutsche der Schergen befand. Sie verfügte über ein Schloss, wofür nur der Bursche und ich die Schlüssel hatten und immer eng bei uns behalten mussten, damit die Jünglinge sie nicht in die Finger bekommen könnten.

Als die Arbeit getan war, bezahlte Nicolas die Beiden und sie fuhren, ohne ein weiteres Wort von sich zu geben, ab. Nun standen der Bursche und ich aber vor einem weiteren Problem: wie sollten wir mit den Kindern umgehen? Eine Konversation war unmöglich geworden und weitere Tests brauchten wir gar nicht erst zu versuchen, da wir die Ergebnisse absehen konnten. Mein Vorschlag war es, den Stein der Weisen zu untersuchen und so vielleicht herauszufinden, wie wir ihn im Labor herstellen könnten. Nicolas winkte diesen Vorschlag aber ab, weil er es selbst schon mehrfach versucht hatte und es ihm nicht ansatzweise gelang.

Stundenlang debattierten wir über das weitere Vorgehen, kamen aber zu keinem befriedigenden Schluss. Die letzten Strahlen der Sonne drangen durch das Fenster und machten uns darüber bewusst, welche Tageszeit wir nun hatten. Erschöpft und Müde machte ich mich in die Küche auf und bereitete das Abendmahl für die Kinder vor. Schlurfend schritt ich die Treppe hinauf und trat in die Gemächer der Jünglinge ein. Auch wenn nur seit einigen Tagen erst der Schrecken die Seelen der Kinder ergriffen hatte, waren dieser Umstand und ihr Angst erfülltes Wimmern, die die Wiedererweckten bei der Sichtung meiner Gestalt von sich gaben, längst zur Normalität geworden. So fiel mir sofort auf, dass in ihrem Chor eine Stimme fehlte.

Erwin, der Junge, dem ich die Hand amputieren musste und dessen Name ich mir von Nicolas nach der Operation geben ließ, lag zitternd in seinem Bett. Schüttelfrost hatte seinen Körper ergriffen und starkes Fieber quälte ihn. Ich rief panisch nach Nicolas und begab mich zu dem Kranken.

Dabei ignorierte ich das Jammern der anderen Kinder, als ich mich derart schnell in ihre Richtung bewegte. Vor Ort riss ich die Decke weg, um mir den Jungen näher anzusehen. An seinem rechten Oberarm hatten sich kleine Bläschen gebildet und die Lymphknoten am Hals und in der Achselhöhle waren geschwollen und hatten einen leichten Blauton, ähnlich wie bei einem Bluterguss.

Schockiert stellte ich fest, dass die Symptome für die Pest sprachen.

Ich packte Erwin und trug ihn vorsichtig aus dem Zimmer heraus in das Labor. Dabei gab der Junge ein leises Stöhnen von sich, da die Bewegung seinem Fieber nicht gut bekam. Nicolas kam mir auf der Treppe entgegen und ich sagte ihm, dass er die anderen Kinder mit ins Labor bringen soll.

Meine Torheit wurde mir im diesem Moment schmerzlich bewusst. Ich ließ die wenigen Ratten unbehelligt hier verweilen. Dadurch konnten sie Erwin noch mehr Leid zufügen, als sie es ohne hin schon getan hatten und ihn mit einer Krankheit strafen, die Europa seit über hundert Jahren nicht mehr gesehen hatte. Nun wollte ich lediglich weiteren Schaden verhindern, indem ich die Kinder aus ihrem Zimmer herausnahm, da ich es nicht mehr für sicher befand.

Um die Knaben gefügig zu machen, drohte Nicolas in einer gekünstelten boshaften Stimme mit den schlimmsten und absurdesten Bestrafungen, falls einer sich anmaßen sollte, die Befehle des Burschen nicht einzuhalten. Die Strategie des Burschen wirkte und die Jungen machten keinen Fluchtversuch, als wir sie mit in das Labor nahmen. Dort legte ich Erwin auf den metallenen Tisch ab und gab an die Wiedererweckten und Nicolas den Befehl, sich weder dem Kranken oder mir zu nähern. Nicolas blieb auf der Treppe stehen und hielt die Jünglinge eng bei sich, die sich deutlich bei dieser Nähe unwohl fühlten, aber es aushielten, da die frisch gesäte Angst sie noch voll im Griff hatte. 

Verzweifelt rannte ich im Labor umher und erstellte zwei Becher Aurum Potabile. Einen für Erwin und einen für mich. Wie zu erwarten, konnte das Gebräu die Wirkung bei dem Jungen nicht erfüllen und sein Zustand blieb unverändert. Ob sie bei mir geholfen hat, konnte ich nicht sagen, da ich nicht einmal wusste, ob ich die Seuche bereits in mir trug oder nicht. Erwins Fieber stieg an und er gab ein schmerzerfülltes Stöhnen von sich, welches meine Aufmerksamkeit wieder voll auf ihn zog.

Die Chancen, dass ich die Pest erfolgreich heilen konnte, waren sehr gering, jedoch wollte ich versuchen, einige der stark angeschwollenen Beulen, die sich am Hals von Erwin befanden, aufzuschneiden. Wenn das nicht half, konnte ich nur noch versuchen, es einzudämmen und müsste zu drastischen Mitteln greifen.

Ich holte mir ein kleines Messer, welches parat im Labor lag und stülpte mir Handschuhe über meine Hände, bevor ich zu Erwin ging. Ein entsetztes Raunen machte sich unter den Jünglingen breit, als sie mich mit der „Klinge“ sahen. Davon bekam ich aber wenig mit, da ich mich auf den Jungen fokussierte und die Beulen betastete. Bei jeder kleinen Berührung krümmte sich Erwin vor Schmerzen und wollte jegliche weitere bestmöglich vermeiden, indem er sich holprig von mir weg bewegte, bis er bei einer Kante des Tisches ankam. Er machte nun Anstalten, sich langsam aufzurichten und vom Tisch runter zu klettern. Bevor es ihm aber gelang, packte ich ihn und drückte ihn vorsichtig auf den Tisch zurück. Aufgrund seiner Verfassung konnte mir der Junge nur wenig Gegenwehr entgegenbringen und musste sich meinem Willen beugen.

Ich war aber nicht so töricht, den Jüngling zu behandeln, während die anderen Kinder noch anwesend waren. Also sagte ich Nicolas, dass er die Wiedererweckten mit nach oben nehmen sollte. Erwin, der das Messer in meiner Hand erblickte, starrte hilfesuchend in die Richtung seiner Kameraden und hoffte dort, Unterstützung zu finden. Diese blieb aber unbeantwortet und ihm kamen die Tränen in die Augen.

Als ich nun sah, wie Nicolas die Kinder mit nach oben nahm, drückte ich den Kopf von Erwin langsam auf den Tisch und hielt ihn dort fest. Gerade als ich zum ersten Schnitt ansetzen wollte, konnte ich hören wie jemand die Treppe hinunter rannte, gefolgt von den Rufen des Burschen.

„Nein!“, brüllte es durch den Raum. Ich drehte mich sofort um und erkannte, dass es Noah war, der gerufen hat. Vor Angst zitternd, rannte er auf mich zu und rammte mein Knie, sodass ich umknickte und zu Boden fiel. Dabei verlor ich mein Messer, welches klirrend zwischen dem Schmelzofen und dem Schrank landete, auf welchem der Stein der Weisen stand. Noah nutzte seinen Triumph, um auf die andere Seite des Tisches zu gehen, um einmal etwas zwischen uns zubringen, welches er als Deckung und Barriere nutzen könnte und einmal, um Erwin runter zu helfen. Nicolas wollte zu mir kommen, um die Situation zu unserem Gunsten zu wenden, wurde aber von den drei restlichen Kindern aufgehalten, die sich ihm in den Weg stellten und nicht vorbei ließen.

Normalerweise wäre ich überglücklich gewesen, als einer der Kinder endlich etwas gesagt hatte, aber in dieser Situation kam kein Gefühl des Triumphs auf, sondern Zorn darüber, dass die Knaben meine Anstrengungen ihnen zu helfen, als ein Gräuel Akt interpretierten.

Kaum hatte ich mich vom Boden aufgerichtet, sah ich, dass Noah Erwin vom Tisch geholfen hatte und mit ihm langsam versuchte, zur Treppe zu laufen. Sofort schnitt ich ihnen den Weg ab, indem ich mich vor sie stellte. Erwin, der sich mit seinem verstümmelnden linken Arm auf Noah abstütze, gab ein Wimmern von sich und schien alle Hoffnung aufzugeben. Noah blieb jedoch hartnäckig und drehte sich, mit Erwin im Schlepptau, um und wollte versuchen, den Tisch erneut zwischen uns zu bringen. Die Beiden waren aber nicht schnell genug und ich konnte Noah packen und zog ihn von Erwin weg. Dabei brüllte ich Noah an, dass er Erwin auf keinen Fall anfassen darf. Seiner Stütze beraubt, taumelte der Kranke kurz herum und packte mich an meinen ungeschützten Oberarm, um erneut Halt zu finden. Panisch stoß ich das arme Kind von mir weg, weil ich die Berührung der Pest fürchtete. Hart kam der Junge auf den Boden auf und verweilte Benommen dort.

Noah griff nun erneut mein Bein an und versuchte mir mit Beißen und Kratzen, Wunden zu zufügen, die mich an der weiteren Verfolgung hindern sollten. In seinen Anstrengungen rief er zu Erwin, dass er verschwinden soll. Dieser richtete sich langsam auf und ging Schritt für Schritt den Tisch entlang, bis er beim Stein der Weisen ankam. Dort musste er kurz innehalten und sich erschöpft an dem Schrank festhalten, auf dem sich das Relikt befand.

Ich nutze die Zeit, um den Angriffen Noahs ein Ende zu machen, indem ich die beiden Hände packte, die wie eine Furie ständig auf mein Bein einschlugen und so fest ergriff, dass sie sich nicht mehr zu bewegen vermochten. Nun konnte ich gefahrlos zu Erwin schauen und sah, dass er kurz davor stand, zusammen zu brechen. Um dem Jungen zu helfen, schleuderte ich Noah vor den Treppenabsatz und rannte zu Erwin. Diesen packte die Furcht bei meinem Anblick und er richtete sich, so schnell es sein geschundener Leib zuließ, auf und griff dabei nach dem Stein der Weisen, um ihn kurzfristig als Stütze zu nutzen.

Dabei fing das Relikt in einem so hellen Rotton an zu leuchten, dass jeder im Raum sich die Hände vor die Augen hielt, um nicht geblendet zu werden. Jeglicher Konflikt war wie vergessen und wir wurden alle gleich vom Schauspiel in den Bann gezogen. Jedoch konnte nur ich kurz erkennen, der der neben Erwin stand und sich am meisten vor den Strahlen die Augen schützen musste, dass auch ein kleines rotes Leuchten aus der Stirn und aus der Brust des Jungen kam.

Es glich wahrlich wie einer Szene aus einem Märchenbuch und hätte meine alte Seele mit neuem Glauben für das Fantastische beflügelt, wäre der Grund, wie dieses Spektakel zustande gekommen war, nicht durch die panische Furcht eines gequälten Junge entstanden. Und so bleibt mir nur noch tiefe Bitterkeit, wenn ich an die Geschehnisse und ihren tragischen Verlauf denke. 

Der Moment ebbte aber so schnell ab, wie er begann. Erwin verlor jegliche Farbe aus seinem Gesicht und ging zu Boden. Ich musste mir die Augen gründlich reiben, bevor ich mein Sehvermögen zurück erlangt hatte und meine Hand nach dem Jungen ausstrecken konnte. Noah, dessen Augen sich schneller von den Strahlen erholen konnten als meine, da er weiter weg von ihnen war, sprintete zu dem Messer, welches ich fallen ließ und das zwischen dem Schmelzofen und Erwin lag und rammte es mir in meinen ausgestreckten Arm, den ich gerade zu Erwin bewegte.

Brüllend zog ich den Arm zurück und schlug mit all meiner Kraft Noah ins Gesicht. Dieser kippte wie ein Sack Kartoffeln um und schien bewusstlos zu sein. Der Schock, unter dem ich in diesem Augenblick stand, ließ mich meine Tat nicht in ihrer gänzlichen Tragweite begreifen und ich sah zu der Klinge, die in meinem Arm steckte. Zu meinem Glück war der Junge nicht stark genug gewesen, sie weit genug hinein zu rammen und so konnte ich sie, ohne Bedenken, herausziehen. Da mein Hemd nun nicht mehr zu retten war, riss ich mir ein Stück meines Ärmels ab, um ihn als provisorischen Verband für meine Wunde zu benutzen.

Kaum war ich damit fertig, war Erwin vor mir, der schützend vor dem bewusstlosen Noah stand. Zuerst begriff ich nicht, was er bezwecken wollte, dann jedoch bedachte ich wieder, als was die Kinder mich sahen. Erwin musste wohl annehmen, dass ich Noah, mit demselben Messer, was ich mir aus dem Arm gezogen habe und nun in den Händen hielt, bestrafen wollen würde.

Diese Erkenntnis ließ mich meine Tat nun Revue passieren und verstehen, was ich getan hatte. Ich steckte das Messer weg und Erwin, der nun seine letzten Kraftreserven verbraucht hatte, ging erleichtert wieder zu Boden. Nicolas konnte nun in den Keller kommen, da die drei Kinder ihren Aufstand aufgegeben hatten und sah sich besorgt seinen Bruder an.

Wir legten Erwin auf den metallenen Tisch und platzierten ein Kissen unter sein Kopf und deckten ihn mit einer Decke zu. Danach brachten wir die Kinder erstmal in Nicolas Zimmer unter, da wir im Dachgeschoss nun Jagd auf die Ratten machen müssten. Kurz bevor wir die Kinder alleine ließen, erwachte Noah und ich erhaschte einen Blick in die Gesichter der vier Knaben.

Mich erwartete dieses Mal keine panische Angst, die in den Kindern wohnte, sondern Zorn, der die Mienen der Wiedererweckten mit einer eisernen Entschlossenheit füllte. Die Furcht war gestorben und das beunruhigte mich.

Nicolas und ich waren von den ganzen Geschehnissen noch zu übermannt, um über sie zu diskutieren. Wir betraten noch einmal kurz den Keller, um nach Erwin zu schauen. Dessen Verfassung hatte sich schlagartig verbessert und es kehrte recht schnell Farbe wieder in sein Gesicht. Alle Symptome, die für sein baldiges Ableben sprachen, waren verschwunden und er schlief zufrieden, trotz seines eisernen Bettes. Gerade als wir die Treppe hinunter gingen, brach der Schrank, auf dem der Stein der Weisen lag, mit einen lauten Krachen und das Relikt fiel zu Boden. Erwin erwachte nicht durch den Lärm, doch wir waren von dem Versagen des Mobiliars überrascht und rannten, so schnell unsere Beine uns tragen konnten, zu dem Unfallort.

Das helle rote Leuchten war nicht das Einzige, was der Kontakt zwischen Erwin und dem Stein der Weisen ausgelöst hatte. So waren die Füße des Schrankes mit dem Boden verschmolzen und die einzelnen Fächer, über die das Mobiliar zuvor verfügt hatte, waren an der Stelle, wo der Stummel von Erwins linker ehemaliger Hand sie berührte, in einem strudelähnlichen Muster miteinander verbunden. Als wir uns die Stelle ansahen, wo zuvor der Stein der Weisen lag, konnten wir sehen, dass das Holz hier unheimlich dünn geworden war und scheinbar jegliche Maße zu den Rändern des Schrankes gewandert war, da die Dicke des Holzes dort, um das Doppelte zugenommen hatte. Damit konnten wir uns erklären, wir der Schrank brach, da die nun geschwächte Stelle, das Gewicht nicht mehr aushalten konnten. Der Eisenring, der zuvor den Stein der Weisen trug, war in der Mitte gerissen und die einstigen Füße und Halterungsstücke ragten wild aus der Decke des Schrankes heraus. Als wir den Blick von diesem abstrusen Werk abheften konnten, schauten wir zum Stein der Weisen, der auf dem Boden lag. Dieser gab noch ein leichtes Leuchten von sich, bis dieses immer schwächer wurde und erstarb.      

Du kannst dir nicht vorstellen, wie dem Burschen und mir die Worte gefehlt haben. Durch reinen Zufall hatten wir einen Einblick in die wahren Mächte des Steins der Weisen bekommen. Solche Kräfte wurden aber in keiner Legende beschrieben, die Nicolas oder mir bekannt waren. Natürlich konnten wir den Stein nicht bei Erwin lassen, da das nicht vorhersehbare Konsequenzen haben könnte. Aus diesem Grund nahmen wir den Stein der Weisen aus dem Labor heraus und brachten ihn in meiner Schlafkabine unter, in der nun auch Nicolas übernachten musste. 

Der übrige Tag verlief recht normal ab, wenn es man so nennen darf. Vor dem zu Bett gehen, redeten der Bursche und ich in einem recht neutralen Ton über die Erlebnisse, die das übergreifende Experiment in seinem Kern erschüttert hatten und entwarfen Theorien über die Ursachen und Folgen eben jener. Ob wir dem Ganzen das gewünschte Ziel noch abgewinnen konnten, war zu diesem Zeitpunkt für uns nicht vorstellbar. Wir wollten uns also auf das schlimmste vorstellbare Ende vorbereiten. Und im Nachhinein kann ich dir sagen, dass unsere Erwartungen leider übertroffen wurden.

Im Nachhinein muss ich über die Dummheit von Nicolas und mir staunen, da wir in dem Haus geblieben sind. Du wirst dich sicherlich und zu recht auch fragen, wie wir dort nur bleiben konnten, obwohl die Pest dort aufgetreten war. Doch glaube mir, unser Verstand war von den Ereignissen derart getrübt, dass wir keinen vernünftigen Gedanken fassen konnten, der nicht um den Stein der Weisen und die Veränderung der Kinder handelte. 

Am nächsten Morgen beschlossen der Bursche und ich, dass Erwin einer Untersuchung bedürfte. Meine Person sollte ihn dafür ihn in seiner Quarantäne besuchen und seinen geistigen wie körperlichen Zustand auf weitere oberflächige Schäden absuchen. Davor brachte Nicolas den Kindern ihr Frühstück und machte eine weiteres für Erwin fertig. Gerade als ich mir ein paar Handschuhe überzog, um Hautkontakt mit dem möglichen Seuchenträger zu verhindern, vernahmen wir ein hölzernes Quietschen von der Treppe, die in das zweite Stockwerk führte. Die vier Kinder hatten sich dort versammelt und starrten uns durch das Treppengitter mit ernster und leicht neugieriger Miene an. Weiß Gott, wie lange sie dort saßen und unser Treiben beobachteten. Als wir sie aber erblickten, erschreckten sie sich und rannten alle ins zweite Stockwerk zurück. Der Bursche folgte ihnen und verschloss die Tür zu seinem ehemaligen Schlafgemach in Windeseile, damit die Jünglinge uns nicht weiter störten.

Dieses Benehmen verunsicherte mich ein wenig und überraschte mich, da Nicolas sagte, dass die vier noch in ihren Betten schliefen. Hatten sie dem Burschen etwas vorgemacht? Warum haben sie uns so verdächtig angestarrt? Ich verdrängte die Fragen, die in meinem Geiste herumirrten, um mich auf das Gegenwärtige zu konzentrieren.  

Nach Abschluss der Sicherheitsmaßnahmen machte ich mich in den Keller auf. Erwin war vermutlich gerade eben erwacht, da er sich gähnend die Augen rieb und die Decke seine Beine noch verschleierte. Sein Oberkörper war schon aufgerichtet und er wollte anfangen, sich zu strecken, als er mich bemerkte und inne hielt. Wie bei den anderen Wiedererweckten war auch seine Furcht wie verblasst.

Der Junge teilte aber nicht den zornigen Blick seiner Kameraden, sondern schaute mich kühl und berechnend an. Beim hinunter steigen der Treppe fragte ich mich, ob der gestrige Vorfall nicht nur seinen gesundheitlichen Zustand verbessert hatte, sondern vielleicht auch seine kognitiven Fähigkeiten zu neuen Höhen gebracht haben könnte.

Auch die Abscheu, die jeder der Knaben noch vor einigen Tagen deutlich gemacht hatte, wenn Nicolas oder ich ihnen zu nahe gekommen waren, war nicht mehr existent. Es herrschte sogar ein greifbares Desinteresse, als ich Erwin untersuchte.

Nur der Ausblick auf sein Frühstück konnte ihm eine Reaktion entlocken und diese war weder ein Lächeln noch ein anderer Ausdruck von Freude, sondern ein einfaches Erweitern seiner Augen, die für ein vorhandenes Interesse sprachen. Dieses ging aber sofort im Moloch unter und musste der gelangweilten Miene weichen.

Aber ansonsten war der Jüngling kerngesund. Beschämt muss ich aber sagen, dass mir das Wohlergehen des Kindes egal war und mich nur die Tatsache interessierte, dass wir möglicherweise die wahren heilenden Kräfte des Steines gesehen hatten und zugleich noch, wie wir sie heraufbeschwören könnten.

Da Erwin nichts fehlte und ihm meine Anwesenheit vermutlich weiterhin störte, wollte ich mich auf machen, den Keller wieder zu verlassen. Vor dem Treppenabsatz trat ich aber auf etwas, was unter meinem Fuß wegrutschte und mich so stolpern und fast hinfallen ließ. Als ich nachschaute, worauf ich getreten war, sah ich, dass es ein Stück Verband war. Dieses befand sich, als ich den Keller betrat, aber noch nicht dort und ich fragte mich, wie es dort hingekommen sein konnte. Erwin gab bei meinem Unfall ein kurzes und stumpfes Lachen von sich. Ich schaute ihn wütend an, um ihn einzuschüchtern, damit der Jüngling sich nicht weiter über mein Unglück lustig machte. Auf seiner Stirn konnte ich nun ein schwaches rotes Leuchten sehen, welches schnell wieder verschwand.

Mir kam eine Vermutung und ich fragte ihn in einem Tonfall, der eine ehrliche Antwort forderte, ob er mit meinem Missgeschick irgendetwas zu tun hatte. Ohne auch nur einen Muskel zu verziehen, wahrte der Junge seine nichtssagende Miene und blieb still. Daraufhin fragte ich noch zwei Mal, wobei meine Lautstärke und Zorn mit jedem Male wuchsen.  

Erwin gab aber nicht nach und ich ließ entrüstet von ihm ab. Ich konnte gar nicht schnell genug eine verschlossene Tür zwischen uns bringen und die Blicke des Jungen, die mich bis zu dieser begleiteten, waren ein nicht willkommener Gast für mich. Erst mit dem Einrasten des Schlosses konnte ich wieder unbesorgt aufatmen.

Nicolas wurde zwar besorgt, als ich ihm von den Verhalten des Jungen erzählte, überdachte aber nicht seine Prioritäten, denn anstelle über unser Vorgehen nun zu beraten, wollte er in die Stadt aufbrechen, um Gifte für die Ratten zu besorgen.

Die Vernichtung der Nager hatten wir uns zwar vorgenommen, aber trotzdem erregte der Bursche, durch seine Fehleinschätzung unserer Situation, mein erneutes Misstrauen, welches durch die Ereignisse der letzten Tage erloschen war, nun aber wieder entflammt wurde. Wenn wir die Kinder wieder gelehrt haben sollten, unserem Wort Folge zu leisten, wollte ich meine Ermittlungen, die ich bis dahin eher halbherzig vollzog, wieder aufnehmen.  

Allein blieb ich also zurück und musste erneut den Wärter für die Kinder spielen, deren Verhalten mich langsam Angst verspüren ließ. Meine Wacht verlief ruhig, wofür ich auch dankbar war, denn die Wunde an meinem Arm schmerzte noch, doch plötzlich hörte ich das bekannte Kratzen von einer Ratte, die sich durch die Wände bewegte. Trotz meines Alters verfügte ich noch über ein passables Gehör und so konnte ich mir ihren Weg erschließen. Mit dem Holzknüppel bewaffnet, wartete ich nur auf eine Gelegenheit, das Biest in die Hölle zu schicken.  

Suchend erforschte die Ratte jeglichen Winkel, den das Innenleben der Wände zu bieten hatte, bevor sein Weg ihn plötzlich in den Keller führte. Gerade wollte ich ihm ins Labor folgen, weil ich einen weiteren Unfall fürchtete. Doch der Nager kehrte von seinem Ausflug schneller wieder zurück, als ich dachte und machte sich nun Richtung des zweiten Stockwerkes auf. Dort verweilte er erneut kurzfristig und wieder brach er nun zum Labor auf. Das Treiben wiederholte sich noch einmal, bis ich mich entschloss etwas gegen die Ratte zu tun, als sie gerade wieder ins zweite Stockwerk klettern wollte.

Dieses Mal klopfte ich mit dem Knüppel gegen die Wand, die der Nager gerade passierte. Überrascht verlor die Ratte ihren Halt und stürzte bis zum Boden hinunter. Ich schlug ein Loch an die Stelle, wo das Biest gelandet war und packte es am Schwanz, um es herauszuziehen.

Der Kontakt mit dem Nager widerte mich an, weswegen ich ihn gleich zu Boden fallen ließ, als ich ihn aus der Wand gezogen hatte. Rot strahlende Augen sahen mich mit einem Hass an, wie ich es nie von einem Tier hätte erwarten können. Um seinen Leib war ein Zettel gebunden, den das Biest wohl nach oben tragen sollte und weiterhin vorhatte, den kaum mein Griff entrungen, suchte es nach ein Weg, mir zu entkommen und das Stück Papier zu überbringen. Jeglicher Fluchtversuch war aber vergeblich, denn ich erschlug den Nager ohne Gnade.

Als ich den Knüppel von dem blutenden Leib zurückzog, verblasste das rote Leuchten der Augen und nahm wieder seine ursprüngliche Augenfarbe an. Auf dem Zettel, den ich nun mein eigen nannte, stand in unsauberer Schrift: „Bringt in mir! Damit kann ich uns helfen!“

Es erforderte kein Fachwissen der Graphologie, um zu erkennen, dass die Nachricht von einem Kind verfasst wurde. Jeder der Knaben dürfte die Fähigkeit des Schreibens und Lesens bereits in der Schule gelernt haben, ob sie es aber nun einsetzen konnten, hatten Nicolas und ich noch nicht erprobt.

An einen Bleistift und Stück Papier hätte Erwin ohne Probleme kommen dürfen, da nur die Gerätschaften und Werkezeuge gesichert waren, die in den Händen eines Kindes katastrophale Folgen haben könnten.   

Es war offensichtlich, dass die Kinder miteinander zu kommunizieren versuchten und ein Komplott gegen Nicolas und mich schmiedeten. Leider waren die drohenden Angriffsversuche der Jünglinge nicht das Beunruhigteste an meiner misslichen Lage.

Erwin konnte die Ratte steuern oder derart beeinflussen, die Nachrichten zu überbringen. Die Kräfte, der er nun besaß, waren, zu meinem Unglück, vielseitiger, als ich erwarten konnte. Keine Legende sprach von solchen und die Möglichkeiten, über die der Junge nun verfügte, den Burschen oder mich beobachten zu lassen oder gar zu schaden, ließ mich bis ins Mark erschaudern.    

Irgendwie musste ich also in das Treiben der Wiedererweckten eingreifen, bevor jemand zu Schaden kommen konnte. Allerdings hatte sich mein Unbehagen in leichte Angst umgeschlagen und ein weiterer Besuch bei Erwin könnte schlimmere Folgen haben, als ein einfaches Missgeschick, weswegen ich die vier Kinder ins Auge fasste, die aber durch ihre Anzahl einen beachtenswerten Vorteil hatten.

Die Zeit verstrich und ich grübelte über mein weiteres Vorgehen nach, bis die Schreie der vier Knaben mich innehielte ließen. Kurz nach deren Beginn arteten die Rufe zu einem großen Tumult aus, der sich trotz der geschlossenen Tür im ganzen Haus ausbreitete.

Mit dem Knüppel in der Hand rannte ich nach oben und öffnete das Zimmer. Die Kinder standen vor ihren Betten und die Einrichtung des Gemaches lag im völligen Chaos. Als ich die Kinder nun sah, wurde mir ein törichter Fehler von Nicolas und von mir bewusst. Nicolas Fehler war es, dass er nicht überprüft hatte, ob alle Kinder im Zimmer waren als er zuschloss. Und mein Fehler war es, mein Zimmer nicht zu verschließen.

Kaum war die Tür geöffnet, stürmte Noah, der sich in meinem Zimmer versteckte, aus diesem heraus und rammte mich in den Rücken. Erneut gelang ihm sein Angriff und ich fiel vor die drei Jünglinge ins Zimmer. Schnell huschten die Wiedererweckten an mir vorbei und knallten die Tür zu, als sie es alle aus dem Gemach geschafft hatten.

Gerade wollte ich zürnend aufstehen und die Knaben verfolgen, als ich das Einrasten des Schlosses vernahm und mir bewusst wurde, dass ich den Schlüssel für das Zimmer hatte stecken lassen und nun hier eingesperrt war.

Ihnen zu befehlen, mich sofort hier rauszulassen, würde nichts bewirken, weswegen ich lautstark über meine Dummheit fluchte.  

Hastig eilten die Knaben nach unten und gingen zum Labor, wenn mein Ohr mich nicht betrog. Es kam zu einer kurzen Unterhaltung zwischen Erwin und den Kindern, von der ich aber nur ein leises Wispern hörte und so nichts zum Inhalt sagen kann.

Nach Abschluss dieser stürmten die vier Wiedererweckten wieder nach oben und gingen in mein Zimmer. Mit all meiner Kraft schlug ich mit dem Knüppel auf den Knauf der Tür, um diesen und das Schloss stark genug zu beschädigen, damit ich meinem Gefängnis, ohne einen Schlüssel, entkommen konnte.

Der erste Schlag richtete erkennbaren Schaden an war aber nicht genug, weswegen ich zum zweiten ausholen wollte, aber inne hielt, als ein rotes Leuchten durch die Spalten am Fuße und an dem Kopf der Tür zu mir durchdrang.

Dieses wiederholte sich drei Mal und dann trugen die vier Knaben den Stein der Weisen gemeinsam nach unten, wie ich an ihrem schweren Atmen und Schritten hörte. Immer und immer wieder schlug ich auf den Knauf ein. Meine Arme schmerzten und die Wucht meiner Angriffe verloren kontinuierlich an Stärke. Doch meine Mühen wurden entlohnt, als mit einem lauten Knacken das Schloss der Tür aus dieser ausbrach.

Als ich aus Nicolas demolierten Schlafgemach austrat, sah ich durch die offenstehende Tür meines Schlafgemaches, dass der Stein der Weisen fehlte und die zwei Zettel, die die Ratte überbracht hatte, bevor ich sie stoppte.

Auf den zwei Zettel stand: „Könnt ihr lesen und schreiben?“, und, „Gut, wisst ihr, wo die Monster den roten Stein haben?“ Mit dem dritten, den ich in meinem Besitz hatte, lag zwar nicht der gesamte Briefaustausch vor mir, reichte aber, um mir einen Einblick in den Plan, den wohl Erwin sich erdacht hatte, zu geben.

Die drei Gefangenen mussten Noah die Nachrichten zugesteckt haben, nachdem sie sie gelesen hatten, womit auch geklärt war, wie der Knabe von dem Plan erfuhr und auch den Angriff auf mich erdenken konnte.

Binnen Sekunden eilte ich die Treppe hinunter, nachdem ich die Briefe gelesen hatte und befand mich wieder im ersten Stockwerk. Dort sah ich, dass die Tür zum Labor dasselbe Schicksal erlitt, wie der Schrank. Die einzelnen Holzbretter, aus denen die Tür gefertigt wurde und die sich noch im fertigen Produkt ab zeigten, waren in vier Strudelmustern wild miteinander vermischt, die sich über die ganze Tür gebildet hatten. Auch die Dicke des Holzes war von der Mitte an die Ränder der Tür gewandert, sodass die Kinder sie einfach durchtreten konnten und sich so Zugriff ins Labor beschafft hatten.

Erschreckt stellte ich außerdem fest, dass der Kadaver der Ratte fehlte und nur eine Blutpfütze ihren Todesort bekundete, den ich ihn meinen Grübeln vergaß zu säubern und auch die tote Ratte zu entfernen. Eine Spur von Bluttropfen, die in das Labor hinunterführten, gab mir aber einen eindeutigen Hinweis über ihren Verbleib.

Langsam machte ich mich Richtung der zerbrochenen Tür auf, als ein rotes Leuchten aus dieser herausstrahlte und schnell wieder verblasste. Bei dem Türrahmen angekommen, sah ich die vier Knaben, die in der hintersten Ecke des Labors um den Stein der Weisen herumstanden und in deren Mitte Erwin, vor dem Relikt kniete. Der Raum war im Dunkeln getaucht, wodurch ich jeden Jungen nur mit Mühen erkennen konnte.

Meine Anwesenheit wurde von den Wiedererweckten zur Kenntnis genommen und sie hefteten alle ihren Blick auf meine Gestalt. Erwin, der nun mit seinem Treiben abschloss, richtete sich auf und zeigte mir das Ergebnis seines Tuns.

Er hob seinen linken Arm und ich erkannte, dass an diesem eine Hand war. Zu verblüffet, um einen Gedanken zu fassen, wollte ich seinen Werk betrachten, doch die Finsternis raubte mir jegliche Möglichkeit der klaren Deutung. Der Geheilte bemerkte mein Hadern mit der Finsternis und trat deswegen einen Schritt auf mich zu. Nun konnte ich ihn deutlicher erkennen und musste schockiert feststellen, dass seine Hand mit Blut bedeckt und nicht menschlich war.

Ein Lächeln zauberte sich auf Erwins Gesicht und er trat noch einen Schritt auf mich zu, mitten in den Schein eines Sonnenstrahls, der durch die Tür, an mir vorbei, in die Nähe des Tisches leuchtete. Nun sah ich das groteske Werk in all seiner Pracht.

Der Rumpf der, von mir erschlagenen, Ratte war mithilfe des Steins der Weisen an den Stummel von Erwin linken Arm angebracht wurden. Dabei wurde der Kadaver so um gewölbt, damit er die Form eines Handballen und Handrückens annahm. Blut triefte aus mehreren Wunden, die durch das aufplatzen der Haut, in diesem Prozess, entstanden waren. Die vier Beine, die den Nager zuvor durch unsere Wände trugen, und der Schwanz bildeten bei diesem gottlosen Anblick die Finger. Von dem Kopf der Ratte fehlte jede Spur. Ich nehme an, dass sie ihn zuvor entfernt hatten.

Mir wurde schlecht, ich verlor jegliche Farbe aus meinem Gesicht und nahm sofort ein paar Schritte Abstand. Ein boshaftes und zufriedenes Grinsen tauchte auf den Gesichtern aller Kinder auf, die meine Reaktion sich wohl genauso erhofft hatten.

Bevor diese Monster noch etwas tun konnten, hatte ich schon längst das Haus verlassen. Mit größter Eile verschloss ich die eiserne Haustür und rannte weg. Meine Idiotie, die fünf Wahnsinniggewordenen alleine im Haus verweilen zu lassen, dürfte deine Empörung hervorrufen. Bedenke aber, dass der Schrecken meine Vernunft vernebelte und die Erhaltung meines Selbst als oberste Priorität setzte.

Noch nie zuvor hatte mich meine Angst so beflügelt und solche Kraft gegeben, dass ich wieder wie ein junger Mann über den holprigen Feldweg flitzen konnte. Erst als Nürnberg in Sicht kam, breitete sich ein Gefühl von Sicherheit in mir aus, welches die Furcht in mir verdrängte und somit auch den Ansporn, mein Tempo beizubehalten. Keuchend kam ich zum Stehen und bemerkte jetzt, dass meine Kleidung vor kaltem Schweiß durchnässt war.  

Aufgrund des kaum veränderten Sonnenstandes dürfte ich nicht mehr als eine halbe Stunde gebraucht haben, wobei dass nur eine grobe Schätzung meiner Seit ist. Ich ging also zur Stadtgrenze und wartete dort auf die Ankunft von Nicolas und seiner Kutsche, da er hier vorbei kommen musste.

Alleine wollte ich nicht gegen die Wahnsinniggewordenen vorgehen und verweilte dort stundenlang, bis der Sonnenuntergang noch ein zwei Stunden entfernt lag. Mir ging die Geduld aus und ich begab mich in die Stadt, um jeden möglichen Apotheker zu befragen, ob der Bursche bei ihnen war.

Grund meiner Nachforschung war, dass mich eine Ahnung beschlich, dass der Bursche mich entweder belog oder aufgehalten wurde. Außerdem musste ich meinen Verstand von dem Gesehenen ablenken.

Durch die fehlende Kenntnis über die Stadt meinerseits musste ich mich stetig durchfragen, bis ich bei jeden Kräuterkundigen war, der Rattengifte im Angebot hatte.

Meine Erwartungen erfüllten sich und mir wurde bestätigt, dass der Bursche bei keinen von ihnen war. Damit hatte ich endlich auch den ersten Hinweis auf die Existenz von Nicolas Lügenkonstrukt. Ich nahm mir ein Zimmer in einer Schenke in der Innenstadt, um dort zu nächtigen und beschloss Nicolas am nächsten Morgen ausfindig zu machen, um die Wahrheit aus ihm heraus zu bekommen. Und wenn ich ihn gefunden hatte, wieder zu seinem Hause zu schleifen, um mit seiner Hilfe das fehlgeschlagene Experiment zu beheben.

Du fragst dich vielleicht bei diesem Punkt der Geschehnisse, warum ich keine dritte Partei einschaltete, damit sie uns helfen konnte. Ich spielte in diesem Augenblick mit dieser Möglichkeit, verwarf sie aber, weil ich nicht wollte, dass der Fall publik wird, da das Wunder, welches dem Burschen und mir gelang, von den abscheulichen Werk der Kinder, überschattet wurden wäre. Außerdem hinderte mich mein Stolz daran, weil ich damit meine Reputation völlig zerstört hätte und ich nur noch als ein verrückter Arzt gelten würde, der geholfen hatte, fünf Abscheulichkeiten auf die Welt zu bringen.

Meine erste Haltestelle war die Familie von Erwin. Diese waren die einzigen Hinterbliebenen der Kinder, die sich noch in der Stadt befanden. Ihre Adresse hatte ich von dem Bestätigungsschreiben, welche Nicolas mir gab und die ich für so einen Fall auswendig konnte.

Ich hoffte, dass die Familie über irgendein Detail verfügte, womit ich Nicolas überführen könnte. Der Verdacht, dass der Bursche ein Grabräuber sein könnte, kam mir dabei anfangs, aber ich verwarf ihn sogleich, da er sonst nicht so töricht gewesen wäre, mir die Adresse der Bestohlenen zu liefern.

Die Verbliebenen bestätigen die Geschichte von Nicolas, taten dies aber nur hinter vorgehaltener Hand und nachdem ich ihnen beweisen konnte, dass ich mit dem Burschen zusammen arbeitete. Grund für ihre Vorbehalte, mich in die Wahrheit einzuweihen, war, dass der Verkauf einer Leiche für derartige Zwecke als illegal und sehr verachtenswert galt und Ärzte eigentlich nur an den Leichen verurteilter Verbrecher experimentieren dürften.

Wie eine Familie dazu kommt, den Leichnam des eigenen Kindes zu verkaufen, fragst du dich vielleicht. Mir kam dieser Gedanke auch, aber die Verhältnisse, in welchen die Eltern und die Geschwister lebten, beantworte meine Frage.

Da ich hier erstmal keine weiteren Antworten erwarten konnte, machte ich mich los, versicherte der Familie aber, dass ich ihr Geschäft mit Nicolas im Verborgenen halten werde. Nun kam mir nur noch eine sinnvolle Spur in den Sinn, die vielleicht über den Verbleib des Burschen Bescheid wissen könnte: einer unserer wichtigsten Gläubiger.

Hierbei möchte ich die Identität unseres Geldgebers im Verborgenen halten, weil die noch folgenden Geschehnisse ihre Schatten über sein Geschäft und Familie bringen könnten, falls diese Briefe in die Hand eines Fremden gerieten. Lass mich dir nur sagen, dass er in einem metallverarbeitenden Gewerbe tätig und der Eigentümer einer Fabrik war.  

Anfangs wollte man mich nicht zu ihm durch lassen, als ich aber erwähnte, dass ich mit Nicolas an einem Projekt arbeite und ihnen Auskünfte über den Standort des Labors und dessen Ausrüstung geben konnte, ließ man mich passieren.

Da ich nicht offiziell unseren Gläubigern vorgestellt wurde, musste ich dem werten Herrn, den ich in diesem Kontext Herr Ferro nennen werde, beweisen, dass ich in dem Projekt des Burschen verstrickt war. Dafür musste ich Herr Ferro schildern, wie Nicolas mit dem Stein der Weisen unedle Metalle in Gold transmutieren konnte.

Nach der Offenlegung meiner Kenntnisse war Herr Ferro überzeugt und fragte mich, was ich wollte. Ich erzählte ihm, dass ich seit einigen Wochen mit Nicolas zusammenarbeitete, es aber zu Komplikationen kam, wobei ich ihm die Details verschwieg und nicht näher darauf einging, was sich in unserem Labor nun abspielte. Weiterhin erklärte ich ihm, dass Nicolas seit einem Tag spurlos verschwunden ist und fragte Herr Ferro, ob er vielleicht eine Idee hat, wo der Bursche stecken könnte.

Seufzend hielt sich unser Gläubiger die Hand vor sein Gesicht und rieb sich langsam die Schläfen. Danach fluchte er lautstark vor sich hin und zischte mich an, dass er von Nicolas ewigem Versagen genug hatte. Als er aber meinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte, entschuldigte er sich leise bei mir und hatte seine Fassung wiedererlangt.

Herr Ferro wusste nicht, wo der Bursche war oder sein könnte, wollte von mir aber wissen, was dieses Mal geschehen sei. Verblüfft fragte ich ihn, ob es in der Vergangenheit bereits zu mehreren Missglücken innerhalb der Forschungen von Nicolas kam. Lachend bejahte er meine Frage und erzählte mir, mit einer gereizten Stimme, dass der Bursche dabei nicht einmal an der Transmutation forschte, wofür er ihn eigentlich finanzierte.

Unser Gläubiger interessierte sich dabei nicht sonderlich, für die Transmutation in Gold, sondern nur für die Umwandlung eines Metalls in ein beliebig anderes Metall. Für die Versuche, die der Bursche nun anstellte, wollte er nicht länger aufkommen, da Nicolas ihm nicht einmal erzählt hatte, woran er zurzeit genau forschte.

Danach beschwerte sich Herr Ferro, dass Nicolas, seit er mit seinem neuen mysteriösen Projekt gestartete hatte, nur noch zum ihm kam, um ihn von seinen Fehlschlägen in Kenntnis zu setzen und um Geduld zu bitten, da er nun von neuem starten musste.

Als der Bursche aber zum dritten Mal einen Neustart des Experimentes verlautete, setzte ihm Herr Ferro ein Ultimatum von einen Monat. Bis dahin würde ihm Zeit gelassen werden, seine Forschung fortzuführen, aber nach Ablauf der Frist müsste er diese ruhen lassen und mit der Erforschung der Transmutation beginnen, so wie er es versprach. Sollte er sich weigern, hätte er mit juristischen Konsequenzen zu rechnen.

Damit hatte unser Gläubiger mir endlich Details geliefert, welche mir halfen, den Burschen besser zu verstehen. Nicolas hatte die Wiedererweckung der Toten schon mindestens zwei Mal versucht, bevor er mich um meine Mitarbeit bat. Die befristete Zeit erklärte auch seine Anspannung während der letzten zwei Wochen. Aber warum hatte er mir nichts davon erzählt? Mir war klar, dass mir noch eine Information fehlte und ich sie nicht von Herr Ferro bekommen konnte, da er unwissender war, als ich.

Bevor ich aber gehen konnte, verlangte Herr Ferro zu wissen, was Nicolas erforschte und welche Komplikationen aufgetreten waren. Dass ich eine klare Antwort geben musste, lag auf der Hand, aber ich hatte mit solch einer Situation im Voraus gerechnet und eine dementsprechende Lüge vorbereitet.

Ich sagte ihm, dass wir das trinkbare Gold erforschten, aber es uns bis jetzt einstig gelang, offene Wunden zu heilen und keine Krankheiten oder schweren Seuchen. Bei den Komplikationen handelte es sich bloß um das Versagen der Schmelzofen, log ich, und der Ersetzung des Gerätes. Da ich aber keinen Zugriff auf die Finanzierungsgelder hatte, suchte ich nach Nicolas, der über diese verfügte.

Wie in jeder guten Lüge, steckte in diesem Ammenmärchen auch ein Funken Wahrheit, der mir half, das Schauspiel aufrechtzuerhalten. Herr Ferro schenkte mir Glaube und stellte mir genug Geld aus, damit ich den Ofen ersetzen konnte. Es folgten ein paar banale Fragen, warum Nicolas im beispielsweise nicht erzählt hatte, woran er forschte. Ich antwortete ihm damit, dass er dafür den Burschen selber befragen müsste und verabschiedete mich freundlich von Herr Ferro.

Mit keiner weiteren Spur, der ich folgen konnte, grübelte ich nach, was ich nun tun sollte, um Nicolas zu finden und sein Geheimnis zu lüften. Leider befand sich keiner unserer anderen Gläubiger in Nürnberg und ich wollte die Stadt nicht verlassen, solange die Wiedererweckten noch nicht aufgehalten wurden.

Stundenlang überlegte ich, was Nicolas mir verheimlichen wollte, bis ich einen Einfall hatte, der mich erschaudern ließ. Um diesen zu überprüfen, ging ich erneut zu der Familie von Erwin und fragte sie über die Verletzungen, die die Jungen hatten, als man sie fand. Diese Frage stoß auf Verwunderung und Unbehagen, da die Angehörigen dadurch die Erinnerung an den schrecklisten Moment in ihrem Leben erneut durchleben mussten, doch sie taten mir den Gefallen.

Sie berichteten mir von den Blessuren und Brandverletzungen, sowie von den fünf schweren Narben, aber mit keinem Wort erwähnten sie die Schnittwunden, die die Leiber aller Knaben zeichneten. Als ich sie darauf ansprach, versicherten sie mir, dass keiner der Jünglinge solche Verletzungen aufwies.

Um die Hinterbliebenen, nicht weiter zu beunruhigen, versicherte ich ihnen, dass wir dem Leichnam von Erwin kein Schindluder betrieben, aber Nicolas verreisen musste und er vergaß, mich in einige Details einzuweihen. 

Mit dieser Auskunft hatte sich meine Theorie befürwortet, dass der Bursche an den Leichen einige Operationen durchgeführt hatte. Dafür bedürfte es aber Kenntnisse der Medizin und der menschlichen Anatomie, die sich Nicolas, so vermutete ich, an einer Universität angeeignet haben musste.

So machte ich mich also zur Universität von Nürnberg auf, an die ich den Brief verfasst, auf dessen Antwort ich aber vergeblich gewartet hatte. Vor Ort wurde ich von meinen Kollegen begrüßt, an den ich meine Nachricht geschrieben hatte und den ich von einem gemeinsamen Forschungsprojekt her kannte.

Als ich ihn fragte, warum er meinen Brief nicht beantwortete, sagte er mir überrascht, dass er mir doch unverzüglich eine Antwort zu geschickt hatte. Erst jetzt wurde mir die Möglichkeit bewusst, dass der Bursche den Brief meines Kollegen hatte einfach abfangen können, an dem Briefkasten oder vom Boten beispielsweise, bevor er mich erreichte und so von meinen Ermittlungsversuchen erfahren haben könnte.  

Innerlich verwünschte ich mich dafür, dass ich nicht vorher auf diese Idee gekommen war, versuchte aber eine entspannte Miene zu wahren und sagte meinen Kollegen, dass der Brief mich nie erreichte und fragte ihn höfflich, ob er mir ihren Inhalt nicht verbal wiedergeben könnte.

Mein Kollege zeigte Verständnis und erzählte mir, dass er Nicolas flüchtig kannte. Der Bursche war vor etwa drei Monaten zu ihm gekommen und hatte einige seiner Autopsien des menschlichen Körpers beobachtet. Eigentlich ließ man keine Laien an einer Sezierung teilhaben, doch der Junge besaß eine überraschend hohe Kenntnis der Medizin und hatte in seinem Studium sich ein wenig dieser gewidmet, so dass man ihn teilhaben ließ. Dabei erreichte das Interesse des Burschen seinen Zenit, wenn es um das Gehirn, Herz und die Muskulatur ging. 

Bei der ersten Sichtung der Kinderleichen, die wir später wiedererweckten, waren die meisten Schnitte an den Armen und Beinen vorgenommen wurden. Ich nahm an, dass der Bursche hier an der Universität sein Wissen der Medizin derart schulen wollte, dass er die Körper der Knaben selber richten könnte, so dass er keine weitere Hilfe benötigte.

Am Ende der Ausführung meines Kollegen, erzählte dieser mir, dass er an der letzten Autopsie, an welcher Nicolas teilnahm, von dem Burschen nach einem Forschungspartner gefragt wurde, der ein ausgezeichneter Mediziner ist, aber auch bereit sein muss, an kontroversen wie sonderbaren Forschungen teilzunehmen.

Er empfahl mich mit größten Lobsprüchen, warnte Nicolas aber auch vor, dass ich sein Angebot vermutlich ablehnen werde. Doch durch mein Repertoire an erfolgreichen wie auch gescheiterten Forschungen, glaubte mein lieber Kollege, dass der Bursche und ich dieselbe Interesse in etwas abstrusen Gebieten der Wissenschaft pflegten, ohne es dabei abwertend zu formulieren, und so eine Partnerschaft gut denkbar wäre.

Abschließend unterhielt sich Nicolas aber noch intensiv und flüsternd mit Doktoranden, über die man munkelte, dass sie Leichen stehlen würden für ihre Forschungen. Besorgt fragte nun mein Kollege nach dem Zustand des Burschen, denn bei seinem letzten Besuch, sah dieser niedergeschmettert und auch sehr gehetzt aus. Um die Neugier meines Freundes zu beruhigen, log ich ihm vor, dass es Nicolas besser ging und er sich einfach nur etwas überarbeitet hatte.

Ein wenig euphorisch, da meine Ermittlungen Fortschritte machten, ließ ich mir von meinen Kollegen die Namen der betroffenen Doktoren geben und bedankte mich für seine Zeit. Nach einigen Gesprächen und Bestechungen konnte ich erfahren, dass Nicolas wirklich mit Grabräubern verkehrt hatte und bekam auch den Standort dieser heraus.

Von einigen der dort tätigen Verbrecher erhielt ich, für eine Bezahlung, Beschreibung und Namen der Grabräuber, die Nicolas angeheuert hatte. Es überraschte mich nicht besonders, und dich wahrscheinlich auch nicht, dass es die beiden Schergen waren, die Nicolas zwei Mal mit zu dem Haus nahm, damit sie uns unterstützen konnten.

Ihre Namen waren Emil und Sven Müller. Welches Grab sie genau geplündert hatten, konnte mir keiner sagen, aber die Gebrüder hatten ein interessantes Detail ausgeplaudert, als sie sich einer Spelunke betranken. Sie bekamen nicht den Auftrag etwas aus einem Grab zu entwenden, sondern etwas in ein bestimmtes Grab zu verstecken.

Meine Neugier war nun an ihren Siedepunkt und ich wusste genau, welches Grab sich Nicolas ausgesucht hatte: Erwins Grab. Hauptgrund meiner Hypothese war es, dass es der einzige der Jungen war, der hier in der Stadt begraben liegt und sein Grab keine Leiche beherbergte.

Ich engagierte ein paar der Grabräuber, damit ich den Fund in die Hände bekam, ohne dass ich selber zu Schaufel greifen und das Gesetz missachten müsste. Gegen Mitternacht traf ich mich mit den Verbrechern und bezahlte sie für ihr Werk. Dafür gaben sie mir, was Nicolas verstecken wollte. Es war ein Koffer, dessen Inhalt ich mir erst in meinem gemieteten Zimmer ansehen wollte. Freundlich bedankte ich mich bei den Halunken und machte mich Richtung der Schenke auf, wo ich nächtigte, ging aber einen kurzen Umweg. Dieser führte mich zu den örtlichen Behörden, die für die Einhaltung des Gesetzes verantwortlich sind, und dort hinterließ ich heimlich Informationen, womit sie die Grabräuber und die Ärzte, die diese öfters für ihre Forschungen anheuerten, überführen könnten. 

Als ich in meinem Zimmer ankam, öffnete ich unverzüglich den Koffer. In diesem lagen mehrere Gegenstände, die in einem schwarzen Laken eingedeckt wurden. Sofort entfernte ich den Stoff, um meine Neugier zu befriedigen. In ihm befanden sich ein Buch und eine kleine Tasche, die auf einer schwarzen Schürze lag. Zuerst nahm ich mir das Buch heraus, welches die Forschungsaufzeichnung des Burschen war. Diese fing vor fast einem Jahr an und dokumentierte die Untersuchung des Steins der Weisen. Ich überflog jedoch ein Großteil der Aufzeichnung und sprang sofort zu den Stellen, in welchen Nicolas sich der Wiederbelebung der Kinder widmete.

Bis der Bursche mich zu seinen Forschungen einlud, hatte er die Kinder wirklich zwei Mal versucht wieder ins Leben zu holen und bei beiden Versuchen gelang es ihm. Beim ersten Mal aber konnten die Kinder keinen einzigen Muskel bewegen und nur verzweifelt mit den Augen blinzeln, bevor ihr Herz bereits nach wenigen Stunden versagte und sie starben.

Daraufhin schilderte Nicolas, wie wütend Herr Ferro und auch die anderen Gläubiger waren, denen er von seinem Versagen berichtete und sein Forschungsziel verschwieg. Bereits zu diesem Punkt war ihm klar, dass er unverzüglich Erfolge haben müsste, bevor seinen Geldgebern die Geduld ausging.

Er erwähnte leider nicht konkret, warum er sein Forschungsprojekt verschwieg oder warum er sich nur Gläubiger gesucht hatte, die an der Erforschung der Transmutation interessiert waren und nicht an der Wiederbelebung des Menschen. Der einzige Hinweis auf seine Beweggründe, den ich finden konnte, war die Nennung eines Zwischenfalls in Ägypten, als er den Stein fand. Leider fingen die Aufzeichnungen erst an, als er das Relikt bereits in den Händen hielt und seine Forschungen beginnen ließ, wodurch ich den Burschen wohl fragen müsste, wenn ich eine Antwort auf diese Frage haben möchte.

Wie verrückt untersuchte der Bursche dann den nächsten Monat den Stein der Weisen und ging mehrere Theorien durch, weswegen die Kinder gelähmt waren und so früh verstarben und besuchte deswegen auch mehrere Autopsien. Da ihm aber die Zeit ausging, musste er nun den zweiten Versuch starten.

Bevor er aber den Kindern Aurum Potabile verabreichte, setzte er in das Rückenmark und in die Wirbelsäule mehrere Splitter vom Stein der Weisen ein, weil er glaubte, dass darin der Schlüssel für sein Problem lag. Nun konnten die Knaben, nachdem sie wieder ins Leben geholt wurden, sich ansatzweise bewegen, dabei aber nur sehr rudimentär.

Ihre Finger und Arme waren wie tot und hingen schlaff und unbeweglich am Körper, als die Kinder mit holprigen Schritten ihre Beine langsam und steif bewegten. Nach einer Woche hatte sich die körperliche Lage der Wiedererweckten nicht verbessert und sie zeigten Verhaltensweisen und eine Ahnungslosigkeit eines Kleinkindes. Nicolas beschrieb sie wie Marionetten, deren einige Fäden gerissen waren und der Puppenspieler, welcher durch ihren Verstand verkörpert werden sollte, sie nur mit größten Mühen bewegen konnte.

Panisch fing Nicolas an, eine Lösung für seine missliche Lage zu erdenken, da ihm die Zeit ausging. In seiner Verzweiflung kam er mit einer drastischen Idee, welche aber ihre Früchte tragen sollte.

Er holte die Kinder einzeln aus ihrem Zimmer in sein Labor und fesselte sie dort an den metallenen Tisch, um ihnen winzige Fragmente des Steins der Weisen in ihre Muskulatur einzusetzen. Dabei schnitt er ihnen in mehrere Stellen in Arme und Beine und musste dort die Fragmente tief in die Muskelfasern einbetten.

Mit jeder Operation verfielen die Kinder in Ohnmacht und schienen vor Schmerzen fast zu sterben. Ihre bitterlichen Schreie werden ihn für immer verfolgen und sein Tun verfluchen, schildert er. Sein fanatischer Eifer, das gesetzte Ziel zu erreichen, ließ ihn aber damals blind für ihre Schmerzen und taub für ihr Weinen werden.

Besser als keine andere Person verstand ich den Burschen, so hatte mich eine ähnliche Besessenheit für meine Forschung ergriffen, die, wie du ja weißt, nach zwei Jahren kläglich scheiterte und in der ich Tieren schmerzhaften Experimenten aussetzen musste, um kontinuierlich Ergebnisse zu erlangen. Aber egal wie gewaltig die Leidenschaft war, etwas Großes zu erreichen, so hatte ich nie einen lebenden Menschen diese Qualen spüren lassen. Doch möchte ich meine Sünden in keinster Weise rechtfertigen und auch nicht länger abschweifen.

Nach den Eingriffen konnten sich die Kinder zwar normal bewegen, schienen aber durch die schrecklichen Schmerzen, jegliche Emotionen verloren zu haben. Sie glichen danach wohl der gespenstischen Erscheinung, die sie nach ihrer dritten Wiedererweckung kurzfristig annahmen und die mich immer noch erschaudern ließ. Schließlich nach zwei Monaten, nach ihrer Wiederbelebung, sind die Armen erneut verschieden.

Endlich hatte ich das scheußliche Geheimnis von Nicolas offengelegt, und für wahr, ich hätte es ebenfalls versucht, für immer zu vergraben. Als ich die restlichen Gegenstände aus dem Koffer zog, verstand ich aber auch, warum die Kinder eine derartige Furcht, und nun Zorn, für mich verspürten.

In der Tasche befanden sich die Utensilien, mit welchen Nicolas die Kinder operierte. Sie wurden nie von dem darauf befindlichen Blut gereinigt, welches schon lange getrocknet war. Bei der Schürze handelte es sich um das Kleidungsstück, welches der Bursche bei den schrecklichen Eingriffen getragen haben musste, denn dieses war ebenfalls mit Blut befleckt.

Jeder Arzt trug so eine Schürze, wenn er einen Patienten operierte und ich ebenfalls, als ich dem armen Erwin die Hand amputieren musste. Allmählich dämmerte es mir, dass in den naiven Augen der Kinder ich, der völlig unschuldig an ihren Leiden war, dieselbe schreckliche Gestalt sein musste, die sie Tag für Tag in den Keller zog, um ihnen das Fürchten zu lehren. Kombiniert mit dem Eingriff, den ich an dem Jungen durchführen musste und die darin befindliche Routine, in welchen sie geholt wurden, verstand ich den Quell der tiefen Abneigung, den die Wiedererweckten für mich hegten, der aber auf einem Missverständnis beruhte.

Der Mörder, welche den Knaben das Leben nahm, hatte also nur das Fundament für die Furcht gelegt und der Bursche, mit seinen Experimenten, war die springende Komponente, die in den Wiedererweckten die Angst eingepflanzt hatte.

Und ich? Ich hatte einfach nur Pech.

Warum der Bursche die blutgetränkten Zeugnisse seiner Gräueltat nicht vernichtet hatte, konnte ich nur erraten, da in seinen Aufzeichnung kein Eintrag dazu Antwort gab, aber meine Theorie ist es, dass er sie als Verkörperung seiner Sünden ansah und durch sie, sich immer daran erinnern wollte, was er getan hatte.

Mit dieser Erkenntnis erreichte mich die restliche Nacht nur ein sehr seichter Schlaf. Deswegen setzte ich meine Suche fort, als die ersten Sonnenstrahlen den Horizont erklommen und in meine kleine Unterkunft eindrangen.

Da ich keinen Anhaltspunkt für den Aufenthaltsort des Burschen hatte, beschloss ich erneut zu den Grabräubern zu eilen, bevor sie durch den Arm des Gesetzes Gerechtigkeit spüren durften. Dabei fragte ich sie nicht über Nicolas aus, sondern über die zwei Schergen.

Auch wenn sie bei dieser frühen Stunde müde oder sehr angetrunken waren, konnten die Verbrecher mir für meine letzten Geldreserven Informationen zuspielen, die mir weiterhalfen. So hatten sie Emil und Sven vor einem Tag gesehen, wie sie spät abends aus der Richtung des Hafens auf einer Kutsche kamen und Richtung Stadtgrenze fuhren.

Nicolas, oder zu mindestens seine Schergen, waren wieder zum Haus zurück gefahren. Bevor ich meine Vermutung bestätigen konnte, machte ich mich zum Hafen auf. Dort musste ich mich mit einigen Seemännern unterhalten und ausfragen, bis mir einer aushelfen konnte. Der nette nach Grog stinkende Herr brachte mich zu einem Schiff, wo er eine Person gesehen hatte, die auf Nicolas Beschreibung passen könnte.

Der Kapitän des Schiffes hatte einen derben Akzent und ich musste ihn mehrfach bitten, das Gesagte zu wiederholen. Damit zog ich die Missgunst des werten Herrn auf mich, den ich wohl, mit meinen Anstrengungen ihn zu verstehen, kränkte.    

Am Ende konnte ich aber erfahren, dass ein gewisser Herr Schmidt zwei Plätze auf seinem Schiff gemietet hatte und sich gehörig verspätete, vor allem da er los wollte, bevor der Schneesturm anfing und eine Abreise unmöglich machen sollte. Die letzten Tage waren mild gewesen und ermöglichten eine Abfahrt, aber der Kapitän hatte Recht, es braute sich wirklich ein Sturm zusammen. Ich wartete also noch eine Stunde bei dem Schiff, bis dieses ablegte und den Hafen verließ.

Herr Schmidt war eindeutig Nicolas, der mit seinem Bruder flüchten wollte. Dass der Bursche aber nun das Schiff verpasste, konnte bedeuten, dass Nicolas mich entweder geschickt getäuscht hatte und er in Wirklichkeit mich nur ablenken wollte oder etwas ist bei dem Haus geschehen, wodurch Nicolas verhindert wurde.

Mein Magen zog sich zusammen, bei dem Gedanken, zu den Wiedererweckten zurückkehren, aber ich musste überprüfen, dass Nicolas nichts geschehen war. Doch nicht ohne Hilfe.

Ich ging also wieder zur Herr Ferros Fabrik, um ihm die Wahrheit zu gestehen und um Unterstützung zu bitten. Zwei große Gestalten fingen mich aber vor dem Gebäude ab und zerrten mich in eine Kutsche.

In dieser saß ich Herr Ferro entgegen und die beiden kantigen Gesellen setzten sich direkt neben mich, wodurch es an Platz, auf meiner Seite, mangelte. Wie sich herausstellte, hätte ich gar nicht zu Herr Ferro gehen müssen, denn man hätte mich so oder so zu ihm gebracht, erzählte mir mein jetziger Geiselnehmer amüsiert, über die Tatsache, dass ich alleine zu ihm gekommen war.

Kaum war die Tür der Kabine geschlossen, schon setzte sich das Gefährt in Bewegung. Man setzte mich in Kenntnis, dass wir zum Haus von Nicolas fahren würden, um das Ergebnis unserer bisherigen Forschung anzusehen, und falls es unbefriedigend sei, dafür zu sorgen, dass es den Burschen und mich nicht länger von der eigentlichen Arbeit abhielt.

Ich fragte ihn, warum wir nicht gleich nach meinem Erscheinen in seiner Firma losgefahren sind. Mit einer neutralen Miene holte Herr Ferro nun Nicolas' Koffer heraus, den er unter seinen Sitz versteckt hatte. Erstarrt blickte ich auf den Koffer, der sich noch am Morgen in meinem Zimmer befand und machte mir langsam bewusst, dass mein Lügenmärchen aufgeflogen war und Herr Ferro die Wahrheit wusste.

Er gestand mir, dass er mir meine Lüge anfangs glaubte, aber zur Sicherheit mich beobachten ließ. Dadurch hatten Herr Ferros Spione mitbekommen, wie ich den Koffer von den Grabräubern entgegennahm und konnten ihn stehlen, als ich meine Unterkunft verließ.

Danach herrschte eine beklemmende Stille, die durch die eisige Kälte des beginnenden Schneesturmes nur verschlimmert wurde. Der mit Abscheu und Verachtung gefüllte Blick von Herr Ferro reichte, um mir jegliches Wort des Protestes und Empörung im Halse ersterben zu lassen.

Nach einigen Minuten des Schweigens brach mein Geiselnehmer aber dieses und versprach, dass er Nicolas und mir eine zweite Chance geben würde, trotz der gotteslästerlichen Dinge die der Bursche tat und bei denen ich ihm, seiner Auffassung nach, unterstützte. Nun wollte ich das Wort ergreifen, um mich von Nicolas ruchlosen Treiben zu distanzieren und ihm über die derzeitige Lage des Experimentes zu informieren, aber Herr Ferro würgte mich mitten im Satz mit einem Handzeichen ab, welches von den beiden Grobianen mit einem drohenden Grunzen unterstützt wurde.

„Kein Wort der Rechtfertigung soll deinem Mund entweichen!“, zischte Herr Ferro mich angewidert an. Verdenken konnte ich ihm seine Gemütslage nicht, so wurden seine finanziellen Mittel für grausame Experimente an lebendigen Kinder verwendet, die man nach ihrem Verscheiden wieder ins Leben zwang, um die Versuche fortzuführen.

So war der einzige Begleiter, der mich während dieser trostlosen Fahrt nicht verachtete, dass Pfeifen des Windes, der ein Vorreiter des Sturmes war, der nach kurzer Zeit seinen Zenit erreichte und nun Schnee über das ganze umstehende Land wehte und eisige Körner gegen die Scheiben der Kabine peitschte.

Ein Frösteln erreichte jeden Anwesenden und musste den Fahrer, der draußen verweilte, um die Tiere zu lenken und anzuspornen, gar schrecklich quälen. Auch den Pferden setzte die Temperatur zu, wodurch sich unsere Fahrt länger hinzog, als es jedem Anwesenden lieb gewesen wäre.

Nach gefühlten Jahren der Tortur erreichten wir das Haus. In diesem brannte kein Licht und Schatten verwehrten jegliche Deutung des Inneren. Vor dem Gebäude stand die Pferdekutsche von Nicolas.

Hohe Schneeschichten bedeckten die Kabine und Eis hatte die Scheiben eingenommen. Alle Spuren deuteten darauf, dass die Kutsche wirklich schon zwei Tage hier verweilte. Was mich aber wirklich beunruhigte war, dass jegliche Spur von den Pferden fehlte. Das Gespann, an welchem die Tiere angebracht waren, wurde abgeschnitten und lag teilweise im Schnee begraben.

Meine Reisegefährten studierten die Kutsche ebenfalls, bis die Kälte sie Richtung Haus zwang. Derweilen kümmerte der Fahrer sich etwas um die geschundenen Tiere und rief uns zu, dass wir uns beeilen sollten, da die Pferde sonst Schäden abbekämen.

Ungeduldig brüllte Herr Ferro nach mir, da ich der Einzige war, der über einen Hausschlüssel verfügte. Ich brach meine Untersuchungen des Gespannes ab und machte mich zur Tür auf. Der düstere Anblick des Hauses, in dem ich einmal entspannt leben konnte, ließ mich jedoch fast zum Stillstand kommen.

Hektisch blickte ich in jedes Fenster und fürchtete dort in der Dunkelheit die Kinder zu erkennen, wie sich mich seelenlos anstarren und mir die nächste Abnormität zeigen, die durch ihr Wirken entstand. Sobald ich den Blick von einem Winkel abnahm, um den nächsten zu überprüfen, fühlte ich mich sofort von diesem wieder beobachtet, als ob das Haus selber Augen verfüge, die es in diesem Moment auf mich richtete. Meine Fantasie stellte sich hier als mein größter Feind heraus, der das Unbekannte, welches im Gebäude verweilte, in ein Abbild der Hölle verwandelte, die einem jeden gestandenen Mann den Mut nahm und ihn Elend und vor Angst schlotternd zurückließ.

Erst das erneute Schreien von Ferro, welcher von den beiden Grobianen unterstützt wurde, wodurch ihre Stimmen wie ein schriller Chor klangen, half mir, mich diesem Bann zu entziehen. Langsam überwand ich meine Abscheu und ging auf die Tür zu und verdrängte dies abscheuliche Gefühl.

Bevor ich aber aufschloss, fragte ich die werten Herren, ob sie eine Bewaffnung bei sich hätten. Alle drei hatten einen vollgeladenen Revolver dabei, für den Fall, dass ich mich sträuben und für die Flucht entscheiden sollte.

Etwas beruhigt, durch die Feuerkraft auf unserer Seite, schloss ich die Tür auf und wir betraten das Haus.

Im Inneren bot sich ein Anblick, wie ich ihn durch den schaurigen Eindruck der Außenfassade erwartete. Die komplette Einrichtung war verwahrlost, überall hatte sich Staub angesetzt und Spinnenweben zierten die dunkelsten Ecken. Man hätte meinen können, dass das Haus seit zwei Jahren und nicht seit zwei Tagen verlassen war.

Von der Küche und den Essmöbeln waren nur noch Trümmer übrig. Es fehlten einige Stühle und die, die noch vorhandenen waren, wurden von einigen ihrer tragenden Komponenten erleichtert. Ein ähnliches Schicksal erlitt der Tisch, welcher in der Mitte durchgebrochen wurde. Da ich keine Spuren fand, wie ich sie beim Schrank oder der Tür von dem Labor entdeckte, nahm ich an, dass der Tisch in einem natürlichen Vorgang beschädigt wurde.

Der ramponierte Zustand der Küche sprach aber vor allem für einen Raub. Alle Schubfächer und Schränke wurden aufgebrochen und die darin befindlichen Kochutensilien wurden entwendet. Dabei hatte der Dieb sich nur auf metallene Werkzeuge gestürzt und Gerätschaften anderer Beschaffenheit, wie zum Beispiel einen Holzlöffel, unbeschadet an Ort und Stelle gelassen.  

Die Vorratskammer schien recht unbeschadet, zeigte in ihrem Inneren aber Rattenkot und das Fehlen von etlichen Lebensmitteln, welches wohl die Nager mithilfe der Kinder bewerkstelligt hatten.

Was meinen Blick aber seit dem Eintritt in das Haus gefangen nahm, waren hunderte Löcher, die sich über den ganzen Boden verteilten und sich teilweise über die Wände erstreckten und somit der Kälte Einlass gewährten. Mit einem Durchmesser von einem halben Schuh erwiesen sie sich als keine akute Gefahr für uns, stellten mich aber vor einem Rätsel, dessen Antwort ich mir nicht ausmalen wollte.

Nun wollte ich mir das Labor genauer ins Auge fassen, blieb aber wie erstarrt am Türrahmen stehen, um diesen zu betrachten. Du musst verstehen, dass eben jener gewalttätig aufgerissen wurde, als ob sich etwas Größeres durch die Tür quetschte und so sie erweitere. Bevor ich aber eintreten konnte, ergriff mein Geiselnehmer das Wort.

Fröstelnd schickte Herr Ferro einen der Grobiane los, den Kamin anzumachen, um der Kälte entgegenzuwirken und fragte mich, was hier geschehen sei. Ohne die Chance, darauf zu antworten, rief der Lakai uns zu sich, nachdem er den Kamin ansteckte und ein leichtes Wärmegefühl den Raum erfüllte.

Wir gesellten uns zu dem Grobian, der an dem Treppenabsatz wartete, der in das zweite Stockwerk führte, und sahen eine dünne Schneeschicht, die die Treppe ins Dachgeschoss säumte. Gefolgt wurde unsere Entdeckung durch das Pfeifen des Windes, der deutlich hörbar aus dem Dachgeschoss kam.

Etwas zögerlich, entschlossen wir uns nach oben zu gehen, um die Sonderbarkeiten zu untersuchen. Ich gab aber meinen Begleitern den Rat, ihre Waffen schussbereit zu halten, da ich nicht wusste, was uns da oben erwartete.

Langsam schritten wir ins zweite Stockwerk und untersuchten die beiden Schlafzimmer von Nicolas und mir. Wie die Küche, wurden beide Räume verwüstet und alles Metallene wurde mitgenommen, einschließlich der eisernen Fenstergitter, die bereits unten fehlten. Angewidert sah ich aber die Spuren von Rattenkot, in den Ecken der Zimmer, die ein eindeutiger Indikator dafür waren, dass sich neue Nager im Haus niedergelassen hatten, während meiner Abwesenheit und der etwas milderen letzten Tage. Weiterhin konnten wir dieselben schmalen Löcher finden, die das untere Stockwerk schon schmückten. Dabei verliefen sie die beiden Treppen hoch bis ins Dachgeschoss.

Ansonsten befand sich keine weitere Besonderheit dort und wir setzten unseren Weg fort. Auf dem Weg hoch ins Dachgeschoss sahen wir, dass in der Decke ein riesiges Loch war, durch welches, unbeirrt Schnee fiel und den Boden bedeckte. Wie vom Donner gerührt, betrachteten wir den Schaden und berieten leise miteinander, welche Umstände diesen zu verantworten hatten. Das Loch hatte die Größe einer halben Pferdekutsche und wies Spuren dafür auf, dass das Dach mit großer Kraft aufgerissen wurde, im Gegensatz zu den kleinen Löchern, die sich im Haus befanden.

Ein leiser Schrei, der im Tumult des Sturmes fast unterging, riss uns aus unseren Gedanken heraus. Es war der Fahrer und die Pferde, die geschrien hatten, und ihre angstdurchtränkten Rufe brachen so schnell ab, wie sie aufkamen.

Niemand wagte es das Wort zu ergreifen und wir warteten erstarrt darauf, was als nächstes geschah. Plötzlich konnte jeder von uns das Knirschen des Schnees hören, welches klar dafür sprach, dass jemand Richtung des Hauses kam. Die Schritte klangen aber nicht wie die eines Menschen, sondern ähnelten dem Geräusch, wenn man mehrere schwere Eisenstangen schnell in den Boden rammte und wieder herauszieht, hierbei aber in einer Geschwindigkeit vollzog, die eigentlich nur eine Maschine hätte erreichen können.   

Vor dem Haus ebbten die Schritte kurz ab, bis die Gestalt, die diese verursachte, anfing die Außenwand hinaufzuklettern. Sofort rannten wir panisch los, mit mir an der Spitze. Gerade als ich im zweiten Stockwerk ankam, sah ich, wie sechs eiserne Dornen sich abwechselnd durch die Wand schlugen und dann wieder hinauszerrten, um das Dach zu erklimmen.

Einer der Grobiane war leider nicht schnell genug und gab einen hysterischen Schrei von sich, als das Wesen beim Loch ankam. Heute denke ich, dass der Unglückliche unter Schock stand und sich deswegen vom Treppenabsatz nicht rühren konnte. Zu dem Zeitpunkt sah ich lediglich aus einem Augenwinkel, wie etwas seine Beine packte und ihn wieder ins Dachgeschoss zog, um ihn mit teuflischer Kraft gegen den Boden zu schlagen, wie ich am zerbersten des Holzes hörte.

Die Angst brachte mir Tränen in die Augen und ich betete zu allen Göttern, die mir bekannt waren, um sie anzuflehen, mich zu verschonen. Binnen Sekunden hatte die mir noch unbekannte Kreatur, den Unglücklichen gefressen und setzte sich an, uns zu folgen. Wir erreichten aber zu dieser Zeit schon wieder das Erdgeschoss und stürmten zur Haustür, um diesem schrecklichen Albtraum zu entkommen.

Schockiert stellte ich fest, dass das Schlüsselloch verschwunden war und nur die Unebenheit der Dicke, an der ehemaligen Stelle, Zeugnis über ihre Existenz sprach. Herr Ferro packte mich am Kragen und forderte aufgelöst und kreischend zu erfahren, warum wir diesem Todesort noch nicht entflohen sind. Als ich ihm die Tür zeigte, schien alle Hoffnung, der Situation lebend zu entkommen, ihm zu entschwinden.      

Ich selbst konnte die Aussichtslosigkeit unser Lage nicht ganz greifen, vernahm aber, dass das Monstrum nun die Treppe ins Erdgeschoss hinuntereilte und dabei ein metallenes Klappern von sich gab, als es auf eisernen Dornen, die Stufen hinunter eilte und diese fast, durch die schiere Masse seine Leibes, zerbrachen. Auf der Treppe hielt die Kreatur inne und ich konnte es nur schemenhaft wahrnehmen, bevor es einen seiner Dornen packte und nach uns schleuderte.

Dieses bohrte sich in die Schulter des zweiten Grobians und nagelte ihn an die Wand fest. Weinend bat uns der Hüne, der nun jegliche Imposanz verloren hatte, um Hilfe. Beschämt muss ich dir mitteilen, dass ich ohne einen zweiten Gedanken zu fassen, mich ins Labor stürzte, eng gefolgt von Herr Ferro, da ich nur an mein Leben und dessen Erhalt denken konnte.

Mit einen schrillen, undefinierbaren und bestialischen Schrei stürzte sich das Biest auf den Grobian und wütete danach noch eine Zeit lang im Haus, was ich aber kaum war nahm, da ich, nachdem ich im Labor ankam, nach einer Möglichkeit suchte, dem sicheren Tod zu entfliehen. 

Jedoch wurde das Labor schlimmer ausgeschlachtet, als die Küche. Nur noch wenige Holzschränke, von denen auch nur noch Bruchstücke übrig waren, befanden sich noch im Raum. Von dem Rest fehlte jede Spur und das Zimmer musste wieder seinem Anblick gleichen, als es erbaut wurde und noch kein Mobiliar beherbergte. Mehr konnte ich aber nicht erkennen, da ein Großteil des Labors in Finsternis getunkt war und mein Blick sich an die Dunkelheit noch gewöhnen musste.  

Trotzdem suchte ich verzweifelt jeden Winkel des Labors, mit meinen Augen ab, da ich mich keinen Schritt ins Ungewisse traute. Herr Ferro ging es ähnlich und er tat es mir gleich, wobei er immer wieder zu Treppe schaute, um zu überprüfen, ob die Abscheulichkeit mit ihrer Raserei und dem Zerfleischen des Grobians abgeschlossen hatte und nun uns zerfetzten wollte.

Während ich nach einer Rettung Ausschau hielt, wurde mir langsam die Sinnlosigkeit meiner Bestrebung  und die Aussichtslosigkeit unserer Situation bewusst. Ich brach in Tränen aus, fing wütend an zu fluchen, stampfte vor Zorn auf dem Boden, bis mir der Fuß weh tat und fing danach an, wie ein Geisteskranker zu lachen, da ich mir einredete, dass das alles nur ein schlechter Spaß oder Traum sein kann und ich diesem jeden Moment entkommen werde. Tausende von Emotionen rangen in meinem Inneren um die Kontrolle und ließen mich im Sekundentakt, meine Gemütslage ändern, nur um die Todesangst zu begraben, die mich sonst umbringen würde, bevor das Biest mich auch nur erreichen könnte. Mein ehemaliger Geiselnehmer durchging dieses zermürbende Chaos nicht, sondern wimmerte vor sich hin und sagte immer wieder, dass das nicht die Wirklichkeit sein kann.

Als die Wut mich wieder ergriff und ich Herr Ferro für sein unmännliches Verhalten zurecht wies, weil ich meinen Zorn einfach nur an jemanden ablassen musste, hörte ich, dass jemand hinter mir, mich mit meinen Namen anzusprechen versuchte, aber es einem schwachen Wispern tat, wodurch ich es in meinem vorherigen Gefühlsausbrüchen nicht bemerkte. Langsam wendete ich mich der Stimme zu, die aus dem hinteren Bereich des Labors kam, der in den Schatten lag. Meine Augen hatten sich endlich an die Finsternis gewöhnt und ich sah die Umrisse eines Menschen, der sich zitternd in der Ecke zusammenkauerte.

Ich starrte die Gestalt verblüfft an, bis ich anfing zu realisieren, wer dort vor mir war. „Nicolas?“, flüsterte ich und die schemenhafte Gestalt schien in meiner Frage, die Bestätigung auf die ihre zu finden. Mit größter Mühe richtete sich der Bursche auf und kam humpelnd auf uns zu.

Zu sagen, dass Nicolas in einem schrecklichen Zustand war, würde den qualvollen Anblick, der sich mir bot, verharmlosen und den Leidensweg des Burschen untermauern. Über seinen ganzen Körper hatten sich die dicken Beulen des schwarzen Todes verteilt. Dabei beschränkten sie sich nicht auf die Lymphknoten, wo sie üblicher Weise auftraten, sondern befleckten jeden Winkel seines Leibes. So zum Beispiel auch auf seinen Gesicht, welches ich zuerst nicht erkannte, da die 10 Beulen, die sich dort befanden, es in eine widernatürliche Fratze verwandelte, die den Schauermärchen eines Priesters, über die Hölle, hätte entsprungen sein können. Neben den eitergefüllten Anschwellungen sah ich auch Schnittwunden, die sich zu hunderten über seine Arme und Beine erstreckten und ihm das Laufen erschwerten. Sein geschundener Leib zeigte auch Spuren einer beginnenden Erfrierung, die ihm seine Leiden nur verschlimmern musste.

Würgend musste ich mir die Hand vor dem Mund halten, da ich sonst vor Abscheu mich hätte übergeben müssen. Egal was Nicolas den Kindern antat, diese Form der Rache übertraf selbst die Hemmschwelle der ruchlosesten Verbrecher und konnte nicht mehr gerechtfertigt werden.

Herr Ferro nahm sofort ein paar Schritte Abstand, als er Nicolas sah und musste sich übergeben. Nicolas ließ ein wenig Distanz zwischen uns und wollte uns etwas sagen, als er Richtung Treppe sah und erschrocken zurückwich.

Bevor ich mich umdrehen konnte, hörte ich das Pochen der eisernen Dornen, als die Kreatur vor den Türeingang trat. Langsam schob sich ein langer und dürrer Arm durch die Tür und ergriff das Treppengitter. Gefolgt kamen drei weitere Arme, wobei sich jeder an einer anderen Stelle festhielt, damit das Biest sich in das Labor quetschen konnte.

Die Arme verfügten über drei Finger, welche mit scharfen Klauen ausgestattet waren. Anzeichen von Muskulatur suchte man vergeblich und die pechschwarze Haut, welche nur fetzten Haft den Arm umgab, zeigte an vielen Stellen den blanken Knochen, der von keinem Fleisch umgeben wurde.

Völlig erstarrt mussten wir mit ansehen, wie das Monstrum die Tür überwand und nun langsam die Treppe hinunterkam. Zitternd wollte Herr Ferro seine Pistole ziehen, scheiterte aber dieser einfachen Aufgabe, da ihm es nicht gelang, die Waffe richtig zu packen und herauszuziehen.

Instinktiv traten wir zurück, bis wir dem Rücken gegen die Wand knallten und diese uns vor einen weiteren Rückzug hinderte. Der nun dazugewonnen Platz hatte das Biest dringend nötig, da es nun sich austrecken konnte, dabei aber auf die Decke aufpassen musste, da es ansonsten mit den Kopf dagegen stoß. Nun konnte ich das Monster in seiner vollen grotesken Pracht betrachten.

Johan, was ich dir nun beschreibe, wird dir völlig abstrus vorkommen und meinen Geisteszustand in Frage stellen, aber schenke mir ein letztes Mal dein Vertrauen.

Der Oberkörper der Kreatur glich dem eines Menschen, nur war dieser abgemagert und von beachtlicher Größe. An ihm hingen die vier Arme, die das Biest nun in einer defensiven Position hielt. Der Kopf des Monsters ähnelte dem einer Ratte, war aber von solch einer Größe, dass er meinen ausgestreckten Arm mit einen Biss hätte fressen können. Beim näherem Betrachten konnte ich sehen, dass der Kopf aus den Körpern der Ratten gebildet wurde, die hier im Haus lebten, was man vor allem an der Schnauze sah, da hier die einstigen Körper und Mäuler der Nager hervor- und ziemlich deutlich herausstachen und somit den Anschein jeglicher Ästhetik im Keim erstickte. Aus der Stirn und aus der Brust strahlten jeweils fünf rote schwache Lichter, die wohl die Splitter waren, die wir den Kindern in das Gehirn und in das Herz einsetzten. Wegen den Fragmenten auf der Stirn, befanden die Augen sich ein Stück weiter unten, als es bei einer normalen Ratte der Fall gewesen wäre und setzte so dem grässlichen Anblick seiner Teufelsfratze die Krone auf.

Ab dem Hüftbereich befand sich aber nicht der Unterkörper eines Menschen oder einer Ratte, sondern der Hinterleib einer Spinne, welche aus den fehlenden metallenen Gerätschaften und Gegenständen gefertigt wurde, die im Haus unauffindbar waren. Aus dem eisernen Leib stachen sechs Beine hervor, jeweils drei auf jeder Seite, die aus den Beinen der verschwundenen Pferde, Metall oder einer grotesken Mischung beider, bestanden und die eisernen Dornen als Füße benutzten.

„Sie hatten euch gefürchtet!“, sprach das Wesen, wobei seine Stimme einem Chor aus mehreren Kindern glich, die in perfekter Harmonie zur selben Zeit sprachen und einem damit das Blut in den Adern gefrieren ließen.

„Sie hatten Angst, dass ihr sie wieder hierher bringt und weiter quälen wollt.“, fuhr das Monster fort. „ohne ihnen den Frieden im Tod zu schenken und immer wieder ins Leben zu holen, damit das Leiden nie endet. Aber sie beobachteten euch. Sahen eure Stärken und Schwächen. Und erkannten wie sie euch besiegen konnten, Gemeinsam.“

Das Monster kam nun ein paar Schritte auf uns zu und fletschte seine bluttriefenden Zähne, die ebenfalls aus Metall bestanden, aber von unterschiedlicher Länge waren und sich so reibungslos in das groteske Gesamtbild miteinordneten.

Jeder von uns war durch den Angstschweiß klitschnass und drückte sich mit aller Kraft zitternd gegen die Wand, um möglichen Kontakt mit der Abscheulichkeit zu vermeiden. Nun erschien der Ansatz eines Lächelns, auf der Schnauze des Monsters, welches sein Ergötzen an unserer Lage deutlich ausstrahlte, und es fuhr fort.

„Sie wussten wovor ihr Angst habt und beschlossen, dass nun ihr dran seid, zu leiden und zu fürchten. Dafür mussten sie ihre alten Körper zurück lassen und ein Opfer darbringen, damit ihr Wunsch nach Rache Realität werden könnte. Sie nahmen den sicheren Tod und schmiedeten ihn zu einer Waffe, derer ihr nicht Herr werden könnt. Sie gaben mir Fähigkeiten, durch die eure schlimmsten Albträume, zu einer heißersehnten Oase werden, an die ihr euch flüchten möchtet. Sie verschmolzen ihre Leiber und ihre Geister, um mich zu erschaffen und mir Leben einzuhauchen.

Ich bin ihre fleischgewordene Rache! 

Ich bin die Verkörperung eurer Angst!

Ich … bin Cor Morbus!“  

Kreischend stürzte sich das Monster auf uns, nachdem es seine Ansprache in tobenden Gebrüll beendet hatte. Da jeder von uns einen solchen Angriff erwartete, konnten wir alle unbeschadet ausweichen.

Sofort stürmte ich Richtung Treppe gefolgt von Herr Ferro. Nicolas versuchte uns zu hinterherzueilen, musste dafür aber die Wand als stete Stütze verwenden. Cor Morbus, wie sich das Biest selbst betitelte, wendete sich erzürnt, da niemand seiner Attacke zum Opfer fiel und setzte zum nächsten Angriff an. 

Die Pistole in fester Hand, die mein Gläubiger nun endlich packen konnte, zielte Herr Ferro auf das Monstrum und gab ein Schuss ab. Gleichermaßen zu meinem Glück, aber auch zu meiner Verwunderung traf mein Geiselnehmer, trotz der zitternden Hand und die Kugel bohrte sich in den Schädel des Ungeheures und streifte das rote Leuchten an dessen Stirn.

Leider war der Treffer nicht tödlich, wie es bei einem normalen Lebewesen der Fall gewesen wäre, bereite der Kreatur aber Schmerzen, die ihn krümmen ließen. Bevor Herr Ferro nachladen konnte, fing innerhalb des metallenen Spinnenleibes ein rotes Leuchten an, welches seine Wege durch die Spalten des eisernen Konstruktes fand.

Dieses erlosch bereits nach nicht mal einer Sekunde und Cor Morbus öffnete sein Maul und aus diesem kam ein brauner Rauch, der Herr Ferro völlig einnahm. Hustend kämpfte sich mein Gläubiger einen Weg aus dem Gas und kam stolpernd vor dem Treppenabsatz zum Stehen.

Seine Haut hatte ein kränkliches Weiß angenommen und auf seinem Gesicht zeichneten sich kleine schwarze Punkte ab. Herr Ferro war nicht einmal fünf Sekunden in dem Gas und trotzdem hatte es bereits katastrophale Folgen für ihn.

Ich fing nun an, die Treppe hochzulaufen, um Abstand zwischen mich und Cor Morbus, sowie Herr Ferro zubringen, da ich nicht wusste, ob er an derselben Krankheit litt wie Nicolas und ob diese ansteckend war.

Mein Gläubiger wollte mir nach setzen, doch das Monster packte ihn, mit einer seiner Klauen und drückte in gegen die Wand. Verzweifelt versuchte Herr Ferro die Pistole in eine schussbereite Position zu bringen, konnte seine Hand aber nicht weit genug heben, da ihm beide Arme von Cor Morbus Pranke eingeklemmt wurden.

Erneut übertraf das Monstrum meine schlimmsten Vorstellungen, als es seinen Kiefer langsam weitete, ähnlich wie bei einer Schlange, und diesen über Herr Ferro stülpte. Das panische Weinen war das Letzte, was ich von Herr Ferro hörte, bevor Cor Morbus zu biss und nach einigem Ringen, den Oberkörper abreißen und runterschlucken konnte.    

Nicolas verweilte zitternd im Labor und wurde von der Abscheulichkeit ignoriert, denn diese hatte mich als ihre Beute auserkoren, als sie mit dem armen Mann fertig war. Während des grausigen Todes von Herr Ferro aber erklomm ich die Treppe und kam wieder im Erdgeschoss an.

In diesem sah ich eine Wölbung in der Wand, wo vorher der arme Grobian der heimtückischen Attacke zum Opfer fiel, die ihn dort fesselte. Cor Morbus musste diesen Schaden versehentlich verursacht haben, als er sich auf den Hünen stürzte. Von dem Grobian waren nur noch ein Arm und die Reste eines Beines übrig. Auf dem Boden lag dessen Pistole noch, die er wohl versucht hatte abzufeuern, musste aber vor dem Gelingen wohl, seinem Schöpfer gegenüber getreten sein.

Der Kamin stellte sich als das Opfer der von mir beschriebenen Raserei heraus, die das Monster an der sofortigen Stürmung des Labors hinderte. Das verkohlte Brennholz lag überall im Raum verteilt und wurde von den Pranken von Cor Morbus zerschmettert. Ich packte die Feuerwaffe und rannte nach Oben.

Anfangs wollte ich mich in meinem Zimmer verbarrikadieren und aus dem Fenster flüchten, doch die Wiedererweckten hatten selbst die Schlüssellöcher und Schlösser der Türen gestohlen, um Teile ihres Monstrum zu erschaffen. Also konnte ich nur noch versuchen, aus dem Fenster zu klettern.

Gerade als ich das Fenster öffnen wollte, sah ich kurz zur Decke und bekam einen Einfall, welcher mich vor dem sicheren Tod bewahren könnte. Ich überprüfte in aller schnelle meine Theorie und rannte dann ins Dachgeschoss.

Cor Morbus stürmte nun aus dem Labor und wollte mich verfolgen, hatte aber seine Schwierigkeiten bei der Treppe, da viele der Stufen nun unter seinem Gewicht zusammenbrachen.

So bekam ich ein paar Sekunden mehr, meine Falle aufzustellen und musste die Mischung aus Todesangst und Anspannung länger ertragen. Als das Monstrum endlich im Dachgeschoss ankam, stand ich an dem Fenster, aus welchem die Kinder damals fliehen wollten. Dieses befand sich an der gegenüberliegenden Seite der Treppe, wodurch Cor Morbus über den ganzen Dachboden laufen musste, um mich zu erreichen.

Mittlerweile hast du vielleicht erraten, was mein Plan war. Cor Morbus jedenfalls ahnte nichts und lief mitten rein, da sein Zorn ihm jeglichen Blick für seine Umgebung verschleierte.

Kurz bevor das Biest mich erreichen konnte, brach der Boden unter seinen Füßen weg und er landete ins zweite Stockwerk. Die Idee für diesen Plan kam mir, als ich im meinen Zimmer an der Decke sah, dass Cor Morbus den Grobian dort in den Boden schlug. Blut zeichnete sich langsam durch eine Delle, welche durch den Aufschlag entstand und Risse in den Boden trieb, die sich mit den Löchern verband, die die Dornen des Ungeheuers verursacht hatten. Somit war die Statik genug schwächte, dass eine ausreichende Belastung alles ins sich zusammen fielen ließ.

Durch den Sturz waren die Beine von Cor Morbus und ein Teil des Spinnenleibes bereits durch den nächsten Boden gebrochen und baumelten in der Luft umher, ohne jeglichen Halt. Leicht benommen versuchte das Monstrum nun sich mit seinen Arm an den Rändern des entstandenen Lochs festzuhalten. Bevor ihm aber ein Erfolg gelingen konnte, spannte ich das Perkussionsschloss meiner Pistole und zielte auf seinen Rücken, welcher ungeschützt vor mir war. Nun wünschte ich mir sehnlich die Fähigkeiten meines Bruders, der sich dem Militär hingab und eine dementsprechende Begabung im Umgang mit einem Schießeisen hatte.

Trotz meiner fehlenden Erfahrung, versuchte ich auf eben jene Stelle seines Rückens zu zielen, durch welche ich die Fragmente innerhalb seiner Brust treffen müsste, sobald sich die Kugel einen Weg durch den grotesken Körper des Monstrums gekämpft hatte. Ohne weiter zu zögern, drückte ich ab.

Der laute Knall schallte in meinen Ohren und wurden von einem hohen anhaltenden Ton gefolgt, der mich mein Gehör beraubte, langsam aber abebbte. Kreischend hielt sich das Biest zwei Klauen schützend vor die blutende Brust und schlug mit den anderen Beiden wild um sich, um einen weiteren Angriff zu unterbinden.

Er glich einem verletzten Tier, was blind vor Wut und Angst wild um sich schlug, um die Angreifer auf Distanz zu halten. Seine Raserei war aber belanglos, da ich über keine Munition verfügte und auch nicht korrekt nachladen konnte.

Von Schlag zu Schlag wurden dem Monster die Pranken schwerer und die Attacken, die ohne einen Treffer durch die Luft sausten, verloren ihre bedrohende Geschwindigkeit. Scheinbar hatte mein Treffer, Cor Morbus doch einen beachtlichen Schaden zu gefügt und beraubte ihm langsam seiner Kraft.

Keuchend versuchte die Abnormität sein Leib zu mir zu drehen, damit er einen gezielten Schlag auf mich setzen konnte. Doch seine bisherigen Attacken hatten den Boden, in welchen er hilflos verweilte, derart geschwächt, dass er bei seinen jetzigen Bemühen nachgab und das Monster stürzte ins Erdgeschoss.

Hart kam Cor Morbus, mit seinem Rücken, auf den Boden auf, der standhielt und den reglosen Leib tragen konnte. Ein Funke der Hoffnung erlosch aber, bevor er gänzlich aufkommen konnte, als das Biest sich ächzend krümmte und dem Tod scheinbar entrungen war.

Ohne weitere Strategie in den Händen wollte ich mein Schicksal nicht länger herausfordern und rannte über die Reste der Treppe nach unten, oder versuchte es besser gesagt. Nicolas, der sich bisher im Labor verkrochen hatte, kam langsam die Treppe hoch, schreckte aber sofort zurück, als sich der Leib des Biestes regte und flüchtete in seinen Unterschlupf zurück.

Cor Morbus bekam meinen Fluchtversuch mit und richtete sich kurz auf, um zu der Wand zu humpeln, die mit den Treppen verbunden war. Ich befand mich zu der Zeit noch auf dem Übergang von dem Dachboden zu dem zweiten Stockwerk und hatte arg Schwierigkeiten, da der Sturz des Biestes und sein voriges Erklimmen, die Treppe schwer beschädigt hatte, sodass es zu seinem Akt der Geschicklichkeit ausartete, diese hinunterzuklettern.

Bei seinem Ziel angekommen, rammte Cor Morbus einer seiner Pranken in die Wand und das rote Leuchten aus seiner Stirn und Brust wurde deutlich sichtbar und blendete mich zu teilen. Die Wand beugte sich dem Willen des Biestes auf dieselbe Weise, wie es der Schrank und die Tür zum Labor taten.

Da ich von meinem Blickpunkt, das Spektakel nicht vollkommen erblicken konnte, muss ich hier spekulieren, aber meine Theorie ist es, dass er der Wand an bestimmten Stellen ihre Maße nahm und sie zu einer anderen Position umleitete.

Mit letzter Kraft zerrte Cor Morbus nun seine Klaue aus der Wand heraus und diese zerbrach ohne Gegenwehr und riss damit die ganze Hausseite mit in den Abgrund, inklusive den Treppen und leider mir.  

Ich verlor durch den Sturz und die schmerzhafte Landung kurzzeitig das Bewusstsein. Wie durch einen dicken Schleier konnte ich das Abmühen von Cor Morbus und den Wind hören, der Schnee in mein taubes Gesicht blies.

Langsam kam auch mein Augenlicht zu mir und ich erkannte, dass ich unter den Resten des Hauses begraben lag und das Biest diese schwermütig beiseite räumte, um zu mir zu gelangen. Nachdem meine Sinne und mein Verstand wieder bei mir waren, versuchte ich einen Weg aus dem Trümmerhaufen zu finden, bevor Cor Morbus einen fand.

Auch wenn kein Bestandteil meines Grabes ein Körperteil von mir einklemmte oder anders verletzt hatte, bemerkte ich erschrocken, dass ich beim Sturz auf meinen linken Arm gelandet war und er auf den ersten Blick gebrochen schien. Einzig der Schock musste mich vor den Schmerzen bewahren, die meinen Leib nun ergreifen müssten.

Keinen Muskel konnte ich aber weiter rühren, da ich von Trümmern arg eingeengt wurde. Verzweifelt suchte ich jeden Winkel meines Gefängnisses ab, um einen Ausweg zu entdecken. Nun bemerkte ich zum ersten Mal, dass der Boden, auf dem ich lag, aus Holz bestand und von den kleinen Löchern bedeckt war, was folglich hieß, dass ich mich noch im Haus befand.

Der Bergungsversuch von Cor Morbus schritt mit jeden Trümmerteil voran, welches das Biest packte und wegschleuderte, wofür es mindestens drei starke Männer bedürfte, dasselbe zu tun. Hinter den Aufhäufungen von Holz und Stein, die mich noch vor einem qualvollen Tod bewahrten, erkannte ich das schwache Flimmern einer Flamme, die aus dem Labor kam und munter hin und her tänzelte.

Ursprung dieses bekannten Anblicks, der meine Aufmerksamkeit von der vergeblichen Suche eines Ausweges ablenkte, musste Nicolas sein, der sich mithilfe eines entzündeten Streichholzes durch das Labor bewegte. Was er genau dort unten trieb, vermag ich nicht mit absoluter Sicherheit zu sagen, doch mein gesunder Optimismus, den mir meine Frau schenkte, sagte mir, dass der Bursche das Labor nach einer Möglichkeit absuchte, mir zu helfen.

Nur noch wenige Trägerbalken trennte mich und Cor Morbus, bis dieser das Treiben im Labor bemerkte und von mir abließ, um den auf den Grund zu gehen. Nicolas stand gerade am Treppenabsatz, als sich sein Blick mit dem des Ungeheuers traf. In diesem Augenblick war es aber nicht der Bursche, den die Furcht ergriff, sondern Cor Morbus, der bei dem Anblick des brennenden Streichholzes zurück wich.

Durch die entfernten Trümmer wurde mir eine bessere Sicht auf meine Umgebung, außerhalb meines Grabes, vergönnt und ich erkannte, dass das Ungeheuer die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren schien. Die Hände von Cor Morbus zuckten wild und in seinem Gesicht zeichneten sich Angst und Verwirrung, die das Biest stetig versuchte zu unterdrücken.

Eines der roten Fragmente, an der Stirn des Monstrums, fing an, wie verrückt zu strahlen. Zitternd standen die sechs Beine wie erstarrt und wollte dem Willen des Ungeheuers nicht gehorchen, als dieses verstört zu ihn blickte und krampfhaft versuchte, nur einen Schritt zu machen. 

Mit sich selbst im Kampf griff Cor Morbus mit zwei seiner Pranken an seinen Schädel und brüllte lauthals: „Nein!“, mehrfach. Dabei konnte ich Noahs Stimme aus dem Chor ganz deutlich heraushören, der die anderen Stimmen dominierte.

Erst als das intensive Leuchten des einzelnen Splitters abebbte, gewann das Ungeheuer die Kontrolle zurück und konnte die Paralyse überwinden. Holprig kam es wieder zu dem geweiteten Türrahmen des Labors und fauchte Nicolas solange an, bis dieser das Streichholz löschte. 

Erschöpft hielt die Kreatur nun inne und stützte sich an einer Wand ab, um den gerade gewonnen geistigen Kampf zu verarbeiteten. Dieses Schauspiel gab mir aber endlich die Antwort, warum das Biest den brennenden Kamin und jegliche Lichtquelle, die eines Feuers bedürfte, zerstörte und was die mögliche Schwäche dieser Abnormität sein könnte.

Der Bursche musste diese Theorie auch ins Auge gefasst haben, denn während die Kreatur sich erholte und den Blick auf den Boden richtete, erklomm Nicolas die Treppe und spähte vorsichtig in die Überreste des Hauses. Anstatt diese perfekte Chance auf eine Flucht zu nutzen, verweilte der Bursche am Türrahmen und schmiedete einen Plan, in welchem die Rettung meiner Person ein fester Bestandteil sein sollte.  

Dankbarkeit erfasst das Gefühl nicht mal annähernd, was ich empfand, als der Bursche losstürmte, drei Streichhölzer entzündete und in eine Ecke legte, um Cor Morbus abzulenken und mich zu befreien. Anfangs dachte ich, dass die Wahl der Stelle, wo der Bursche die Streichhölzer deponierte, rein zufällig gewählt wurde, aber nachdem er zu mir eilte und den Schutt soweit beiseite räumte, dass ich mich aufbäumen konnte, erkannte ich die Raffinesse in Nicolas Plan. Damit nicht genug, stürzte der Bursche sich wagemutig in die Vorratskammer und schnappte sich eine Flasche Absinth, die wir für Feierlichkeiten bereithielten, und neue Streichhölzer, bevor er wieder zu mir kam.

Derweil wich Cor Morbus wieder von den winzigen Flammen zurück, war aber gefasster und verfiel keiner erneuten Paralyse, sondern setzte gleich dazu an, die Flammen mit einen wuchtigen Schlag zu vernichten. Bevor seine Pranken ihr Ziel erreichten, konnte Nicolas und ich uns aus den Ruinen des alten Haus flüchten.

Mit großer Wut zerfetzte das Ungeheuer die Flammen, damit aber auch ein stützenden Teil der Wand, der bei diesem Angriff nachgab und in sich zusammenfiel. Ironischer Weise wurde nun Cor Morbus von den herabfallenden Trümmer der Wände und des Daches begraben. Tot war das Biest aber nicht, da wir, nachdem der aufwirbelnde Staub des Zusammenbruches sich verwehte, eine seiner Klauen sahen, die von den Trümmern verschont blieb und zu zucken und sich zu winden anfing, um einen Weg aus dem eigenen Grab zu kämpfen.

Sofort ergriffen wir die Flucht, kamen aber nur langsam voran. Die Erschöpfung und Schmerzen des ausgetragenen Gefechts steckten in meinen Gliedern und ließen sie mir schwerer vorkommen als ein Sack Blei. Der Bursche musste aber noch weitaus schlimmer leiden, als meine bescheidene Person zu dieser Zeit. Seine Verfassung alleine hätte ihn an Bett und Ruhe fesseln müssen, aber seine spärliche Bekleidung und die Erfrierungen, die sich an den Extremitäten seines Leibes zeigten, verschlimmerten die Qualen des Burschen.

Zeit für weitere sorgenvolle Gedanken konnte ich aber nicht fassen, da Cor Morbus aus der Ruine ausbrach und uns humpelnd verfolgte. Selbst in seinem geschwächten Zustand konnte das Monstrum uns in Windeseile einholen und ins Jenseits befördern, weswegen Nicolas mich zu den Ställen zog, an denen wir gerade ankamen, um den Verfolger endgültig abzuhängen.

Die Ställe waren von Blut und den Resten der armen Pferde und des Kutschers gesäumt. Der Bursche war durch den Anblick der Überreste des Blutbades angewidert, erlaubte sich aber nicht, kostbare Zeit zu vergeuden, diesen schockiert zu betrachten. Er häufte so viel Stroh wie er finden konnte zusammen und entzündete diese.

Cor Morbus brach nun durch die Wände der Ställe hinein, um uns mit einer wutverzerrten Fratze, die seinem gottlosen Anblick neue Dimensionen der Abscheulichkeit schenkte, wild in Stücke zu zerfetzten und diese dann wahrscheinlich zu verschlingen. Das brennende Häufchen bemerkte er gar nicht, denn sein Tunnelblick war nur auf uns beide gerichtet.

Kurz bevor seine bluttriefende Klauen oder sein nach Verwesung stinkendes Maul uns erreichen konnte, warf der Bursche die Flasche Absinth in die Flammen. Die dabei entstandene Stichflamme reichte mich vielleicht bis zur Hüfte, übermannte aber das Monstrum völlig und der Zorn musste panischer Furcht weichen.

Die Flammen spiegelten sich in den gelben Augen von Cor Morbus wider und dieser gab kreischende Laute von sich, die von solch erbärmlichen Angst versetzt war, dass es fast mein Mitleid erregte. In den Schreien war Noahs Stimme die einzige, die man vernehmen konnte.

Hätte Noah die alleinige Kontrolle über das Ungeheuer gehabt, wäre er so schnell weggelaufen wie es die widernatürlichen Beine erlaubt hätten. Doch die anderen vier Kinder bäumten sich mit aller Macht gegen Noah auf und versuchten ihn zu beruhigen und den gemeinsamen Körper, wieder für seinen eigentlichen Zweck zu benutzen.

Dieser geistige Disput führte dazu, dass das Biest hin und hergerissen war und einen Spielzeug glich, über dessen Besitz sich Geschwister stritten. Einmal setzte das Ungeheuer zur Flucht an, drehte sich dann aber in aller Schnelle wieder um und holte zu einem Schlag aus, nur um wieder von einer derselben Furcht gepackt zu werden, die den Fluchtwunsch erst veranlasste.

Auch wenn dieses Schauspiel in einer obskuren Art faszinierend war, wollten der Bursche und ich von dem Monstrum weg kommen, da diese Geisteszerrüttung leider nicht für immer anhielt.

Bevor wir uns weit genug entfernen konnten, traf einer der Schläge von Cor Morbus, die er wild in alle Richtungen warf, Nicolas, dessen kompletter Brustkorb aufgerissen wurde und seinen Leib gegen meinen schleuderte. Durch den Zusammenstoß landete ich hart auf den Boden und jegliche Luft wurde aus meinen Lungen gepresst.

Wie nach einem langen Tauchgang musste ich tiefe Atemzüge holen, bevor ich meinen Körper wieder bewegen konnte. Ich rannte sofort zu Nicolas hinüber, der blutend im Schnee lag. Jegliches Leben war aus seinen geschundenen Augen gewichen und die Schwere seiner Verletzungen verriet mir augenblicklich, dass der Bursche tot war.

Von Trauer erfüllt, bemerkte ich, dass einige seiner Beulen aufgeplatzt waren und mich mit ihrem Eiter in meinem Gesicht und auf meine ungeschützten Hände trafen. In diesem Moment dachte ich aber nicht daran, diesen Unrat von mir zu entfernen, sondern rannte, so schnell es mein Leib zuließ, weg.

Die Schreie des Ungeheuers folgten mir über einen Teil des Weges, bis sie in dem schwächer werdenden Sturm untergingen. Ähnlich wie bei meiner ersten Flucht, kam ich erst zur Ruhe, als Nürnberg in Sicht kam. Nun reinigte ich mich mein Gesicht und meine Hände im Schnee und wurde meinen Mantel los, der einige Spuren von Nicolas Ermordung aufwies.

Ohne zu den Behörden oder jemand anderes zu gehen, um sie über die schrecklichen Geschehnisse in Kenntnis zu setzen, mietete ich mir eine Kutsche, die mich zurück nach Fürth brachte. Auch wenn ich den Klauen von Cor Morbus entkommen war, fühlte ich mich erst sicher, als ich diesen verfluchten Ort hinter mich brachte.

Im Nachhinein verwünsche ich meine egoistische Tat, aber zu dieser Zeit konnte ich an nichts anderes denken, als an mein Überleben. Niemand, der dem Tod nicht auf eine ähnliche Weise entgangen ist, kann dieses Verhalten vollkommen verstehen.

Und nun, lieber John, sind wir in der Gegenwart angekommen. Seit drei Tagen habe ich mich in meinem Haus eingeschlossen und von der Außenwelt abgeschottet. Ich gleiche Nicolas' geschundener Gestalt zwar noch nicht, aber die Beulen zeichnen meinen Körper von Tag zu Tag immer mehr.

Würde durch mich keine Gefahr für eine Seuche bestehen, die den schwarzen Tod übertreffen würde, ich hätte die Verfolgung von Cor Morbus aufgenommen und hätte ihn bis zur Antarktis verfolgt. In deinen Ohren muss das natürlich hochtrabend klingen, nachdem ich dir mein Verhalten in meiner Auseinandersetzung mit dem Ungeheuer geschildert habe. Doch vertraue mir, die Schuld, die mich die letzten Tage plagte, treibt einen jeden Mann in die Arme des Teufels. 

Doch glaube ich, dass der Rachedurst des Biestes mit meinem Tod gestillt ist und dass das Wesen sich weit zurückzieht und die Unwissenden nicht die Schmerzen leiden lässt, die der arme Nicolas erdulden musste. Aber wie schwer lastet es auf mir, zu wissen, dass die Erde dieses groteske Ungeheuer trägt, welches nur entstand, um den Leid entgegen zu kämpfen, der seine Schöpfer in den Wahnsinn trieb, ihnen in der verdrehten Welt des Burschen aber eigentlich nur Glück und Frieden bringen sollte.

Beschämt muss ich dir aber gestehen, dass ich die Behörden, bis zu diesem Moment noch nicht informiert habe. Meine Angst ist zu groß, durch jeglichen Kontakt mit der Außenwelt, die Seuche in die Welt zu tragen. Ich habe aber ein paar Briefe vorbereitet, an dich, meine Kinder und an die Behörden, in welchem ich die Geschehnisse so verfälsche, dass sie glaubhaft klingen, aber Untersuchungen einläuten werden, mit denen Cor Morbus hoffentlich gestellt werden kann, falls er von seinen blutigen Pfad nicht ablässt.

Diese werde ich eine Kiste einschließen und im tiefsten Bereich meines Kellers verstauen. Niemals lass ich die Seuche auf die Welt los, weswegen ich mein Haus mit mir verbrennen werde. Bevor mich die Flammen aber holen können, richte ich mich selbst. Wenn alles nach Plan verläuft, wird die Kiste und darin befindlichen Briefe den Brand überleben und dich erreichen.

Und letztendlich, die Bitte an dich, welche ich am Anfang der Geschehnisse erwähnte: hör auf!

Anfangs erfreute es mich, einen jungen Mann deines Standes kennenzulernen, der an meine gescheiterten Forschungen glaubte und sie vollenden wollte. Ich hätte dich gerne unterstützt und glaube aus vollem Herzen, dass es du Erfolg haben würdest, wo ich scheiterte.

Deswegen bitte ich dich, meine Forschung ruhen zu lassen. Leben und Tod ist nichts, womit der Mensch spielen darf. Damals wusste ich das nicht und nun musste ich es auf die schlimmste Weise lernen. Verbrenn einfach alles, nimm dich einer neuen Forschung an, womit du das Leben der Menschen verlängern und angenehmer gestalten und nicht dem Tod immer wieder ein Schnippchen schlagen kannst. Siedle dich in einem netten Ort, während deiner Amerikareise an und gründe eine Familie. Lass all das hinter dir.

Lass meinen Untergang dir eine Lehre sein.

Nun muss ich den Brief an dich beenden. Meine Sünden müssen gebüßt werden. Ich hoffe, du kannst mich trotz des Schreckens, den ich auf die Welt losließ, in Ehren halten. In zu tiefster Freundschaft,

Dein

Viktor Frankenstein

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