Deutsches Creepypasta Wiki
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Das Zimmer war größer als das Alte. Das gefiel ihr. Allgemein gefiel Nadja das neue Haus in dem kleinen Dorf. All die großen und kleinen Reetdachhäuser verströmten den Flair von ländlichem Leben. Nadja, die für ihre elf Jahre ziemlich unternehmungslustig und bisweilen wild war, freute sich schon, die Umgebung, die von einem kleinen Wald und Feldern geprägt war, zu erkunden. Doch auch das Grundstück war interessant. Ihre Eltern hatten es gekauft um, wie sie sagten, Ruhe und Erholung zu finden. Leisten konnten sie es sich. Ihr Vater, ein renommierter Zahnarzt, hätte mit Leichtigkeit das Haus mehrmals kaufen können. Es handelte sich um ein für drei Personen recht großes Haus mit Reetdach, wie man sie in manchen Gegenden Norddeutschlands noch oft fand. Im Garten wuchsen alle möglichen Blumen, die dem Garten ein Aussehen von wilder Schönheit gaben. Hinter dem Haus stand etwas, was Nadja sehr aufregend fand. Ein alter, überdachter Brunnen, abgedeckt mit einer schweren Eichenholzplatte. Das neue Haus war einfach viel besser und spannender als das alte, beschloss sie. Zum Glück musste sie trotz des Umzuges weder die Schule wechseln, noch würde sie Freunde verlieren. Auch ihr Vater hatte es nur ein wenig weiter zu seiner Praxis als bisher. Lächelnd ging sie aus dem Zimmer auf den Hof, wo ihre Eltern standen und ihr neues Heim betrachteten. Sie ging zu ihnen und strahlte sie an:“Das ist toll, das neue Zimmer ist viel größer, ich weiß schon, wie ich meine Sachen haben will, ich will die alle selbst einsortieren.“ Ihr Übermut ließ ihren Vater schmunzeln:“Mach mal halblang, Schatz. Die Umzugswagen müssen ja noch kommen. Aber wir freuen uns ja auch schon.“


Wenig später waren die Umzugswagen da. Nadja wollte helfen, doch einer der Männer, die, wie sie verwundert feststellte, noch stärker waren als Papa, schickte sie weg. So verzog sie sich mit ihrer Katze, Leia, die nach der Prinzessin aus Star Wars benannt worden war, und ein wunderschönes weißes Fell besaß, auf das Sofa. Es war als erstes ausgeladen worden. Es fühlte sich ein wenig komisch an, im sonst völlig leeren Wohnzimmer zu sitzen. Leia, sonst ein kleines, kämpferisches Biest, die schon oft mit Kratzern und Bissspuren nach hause gekommen war, konnte stundenlang mit Nadja spielen. Als ihr Vater sie sah, wie sie ihre Katze mit einem Federspielzeug neckte, lächelte er, und wurde plötzlich von einer Woge von Liebe zu seiner Tochter erfüllt. Sie hatte so etwas unschuldiges, wie sie da saß, spielend, die Katze neben sich. Während sie lachend den Kopf schüttelte, flogen ihr die schulterlangen Haare ins Gesicht. Ihr Vater wusste, es würde ihr hier gefallen. Sie würden sich wohlfühlen, in diesem neuen Haus. Die meisten Möbel waren schon hereingebracht worden; überall standen Umzugskartons herum.


Während die Nacht hereinbrach schauten sie einen Film, danach fiel ihnen beiden das anstrengende Los zu, ihre überdrehte Tochter, die ständig quengelnd behauptete, nicht müde zu sein, ins Bett zu verfrachten. Nachdem sie es endlich geschafft hatten gab ihr Vater ihr einen Kuss mit den Worten:“Schlaf gut, Schatz.“ Plötzlich ertönte ein Klappern. „Oh, ich glaube, Leia geht die Umgebung erkunden.“ Die Katzenklappe war schon eingebaut gewesen, die Vorbesitzer mussten auch eine Katze besessen haben. Doch Nadja hatte ihn gar nicht mehr gehört, sie war, den Kopf leicht zu Seite gedreht, eingeschlafen. Leise erhob sich ihr Vater und ging zu seiner Frau, die lächelnd im Türrahmen stand. „Ich glaube, wir müssen jetzt auch in die Heia“ „Da könntest du Recht haben“, gähnte Markus sie an. „Aber vorher könnten wir doch noch...“ Sie grinste ins Dunkel des leeren Flurs, in dem Kartons standen. „Markus Schlenck, du warst schon immer ein wollüstiger Rüpel.“

In der Nacht wachte Nadja einmal kurz auf, da sie auf die Toilette musste. Während sie auf dem Klo saß, hörte sie auf einmal durch das geöffnete Fenster Geräusche von draußen. Ein Miauen? Ein Klappern, als würde etwas schweres, hölzernes über Stein gerieben. Ein Platschen folgte kurz darauf. Nadja dachte kurz nach, dann zuckte sie mit den Achseln. Ist halt irgendwas in den Brunnen gefallen, und? Nachdem sie fertig war, kroch sie wieder in ihr behaglich warmes Bett.


Als Nadja vom schrillen Piepen ihres mit einer Prinzessin verzierten Weckers erwachte, vermisste sie sofort die Wärme Leias in ihren Armen, die sonst bei ihrem Erwachen immer schnurrend in ihren Armen lag. Schlaftrunken quälte sie sich aus dem Bett, dann taperte sie augenreibend in die Küche. Während sie ein Gähnen unterdrückte fragte sie ihre Eltern, die beim Frühstück in der Küche saßen, nach ihrer Katze. „Liebes, sie wird draußen sein. Mach dir keine Sorgen, ihr ist bestimmt nichts passiert.“ Die Worte ihrer Mutter beruhigten sie. Nadja war noch jung genug zu glauben, ihre Eltern seien unfehlbar. Später half sie ihrem Vater, der sich für die Einrichtung ihres neuen Hauses eine Woche Urlaub freigekämpft hatte, den Brunnen zu säubern. Ihre Mutter hatte sie hinaus gescheucht, da sie alleine besser arbeiten konnte. Sie sortierte gerade Gläser ein, als sie von draußen einen schrillen Schrei hörte. Vor Schreck ließ sie ein Glas fallen, das auf dem Boden zerbrach. „Scheiße!“, entfuhr es ihr.


Draußen hatten Nadja und ihr Vater versucht, die Eichenblätter mit Rechen aus dem Brunnen zu harken, allerdings mit mäßigem Erfolg. Eichenblätter verrotteten sehr langsam, deshalb mussten sie entfernt werden, aber die nassen Blätter platschten in großer Zahl zurück. Auf einmal stieß Markus mit dem Rechen auf etwas größeres, schwereres. Als er spürte, wie sich die Zähne des Rechens in etwas verharkten, zog er es hoch. Der Anblick, der sich ihm daraufhin bot, vergaß er den Rest seines Lebens nicht. Das, was sein Rechen da an die Oberfläche befördert hatte, hatte nur noch entfernte Ähnlichkeit mit einer Katze. Die gesamte Bauchhöhle war aufgerissen worden, das Fleisch war in der Mitte des Leibes bis auf die Wirbelsäule abgenagt worden. Der Kopf, dem auf einer Seite das Fleisch und das Auge fehlte, hing nur noch an einem Fetzen behaartem Fell, das Genick war gebrochen worden. Das ehemals weiße Fell war von schmutzigen Wasser und Blut durchnässt, überall waren Bissspuren zu erkennen. Als ihr Vater den Rechen mit seiner grauenhaften Last aus dem Wasser zog, war sein Gesicht verzerrt von Ekel. Mit einem Klatschen stürzte der Kopf ins Wasser, als der Fetzen Haut unter dem Gewicht riss. Während der Kopf trudelnd in der Tiefe versank, schrie Nadja voller Pein auf und rannte ins Haus, wo sie sich schluchzend in den Flur übergab.


Den ganzen Tag über weinte sie leise in ihrem Bett. Ab und zu kamen ihre Eltern mit schalen Worten des Trosts. Als ihre Mutter ihr anbot irgendwann eine neue Katze zu kaufen schrie Nadja sie an:“Ich will keine neue Katze, ich will Leia!“ Laut aufschluchzend drückte sie ihr Gesicht ins Kissen, während ihre Mutter den Raum verließ. Sie lag allein da, als ihr die Erinnerung an die Geräusche letzte Nacht kamen. Hatte sie gehört, wie ihre Katze gestorben war? Und wenn, wer war es gewesen? Wer war dazu fähig, einer Katze Bisswunden zuzufügen, und ihr die Organe herauszureißen? Was war dazu fähig?

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