Deutsches Creepypasta Wiki
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Als ich die Augen aufschlug, blieb alles um mich herum dunkel. Nichts als tiefe, alles umfassende Schwärze umgab mich und kaum ein Geräusch drang an meine Ohren. Mein Kopf fühlte sich so dumpf an, als wäre er in Watte gepackt.

-ghostread- Thumbnail Totes Hirn

Was war nur passiert, schlief ich noch? Der Versuch aufzustehen oder auch nur den Kopf zu heben scheiterte an einem plötzlich einsetzenden, Schädel spaltenden Kopfschmerz und ich erstarrte in der Bewegung. Ein leises Stöhnen entwich meinen Lippen, sie fühlten sich schrecklich trocken und unbeweglich an.

Ein metallischer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus, er schmeckte nach Leben und Tod, nach Blut. Ich wollte es ausspucken, es widerte mich an, doch ich war nicht in der Lage, mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, bevor der Schmerz einsetzte.

War ich betrunken gewesen? Aber das hier, jedes Gefühl das ich spürte, während ich fast gar nichts spürte außer Schmerz war so fern von jedem Kater den ich in meinem Leben je gehabt hatte. Unruhig durchforstete ich die Tiefen meines scheinbar noch schlafenden Gehirnes nach Erinnerungen.

Das letzte Bild, das ich erhaschen konnte war das Bild einer Straße. Eine Straße und ein helles Licht, eine dunkle Person, das Gefühl von Gefahr.

“Mh...”, wieder ein Stöhnen meinerseits, meine Augen suchten verzweifelt nach einer Quelle von Licht, ich wusste nicht, wo ich war, fand mich verwirrt und alleine zurück gelassen in einem dunklen Raum, nicht fähig, mich zu bewegen.

“Ahhh, sehr schön. Du bist endlich aufgewacht.”, die unerwartete Stimme ließ mich erschrocken schaudern, bis gerade hatte ich mich bis eben noch alleine gewähnt. Immer noch war alles dunkel, nicht das geringste Licht schaffte es an meine Sinne und noch nie war mir schwarze Leere so bedrohlich erschienen, ich schluckte, suchte nach meiner Stimme und fand sie nicht.

“Endlich bist du hier, bei mir.”, die Stimme die da sprach kam mir fremd vor und doch so absurd vertraut. Etwa so, wie die eigene Stimme auf Tonband klingt, sie gefällt einem nie, man kann sich damit nicht identifizieren und doch erkennt man sie immer wieder, sie gehört zu einem. Und so sprach diese Stimme, diese Person, die dort sein musste mit mir.

Der Schmerz in meinem Hinterkopf nahm noch zu, als ich den Mund öffnete um etwas zu sagen und ihn wieder schloss, ohne dass es ein Wort, ein Laut über meine Lippen geschafft hatte, Übelkeit kratze in meiner Kehle und aufzustehen schien mir so fern wie mit bloßen Armen über den Himmel zu fliegen.

Ich spürte die Nähe einer Person an meinem Körper, sie war mir sehr nah. “Versuch bitte gar nicht dich zu bewegen oder aufzustehen, ja? Versuch bitte nicht, von hier weg zu gehen. Mach es für uns beide hier nicht kompliziert Ben.”, in der Stimme lag eine Sorge, die ich schwer zuordnen konnte, aber eines wusste ich jetzt, wer auch immer da mit mir sprach, er kannte meinen Namen. Und er hatte keine Anstalten gemacht, mir den seinen zu nennen.

Ich machte einen Versuch, meine Finger zu bewegen, doch sie fühlten sich steif an und unbeweglich, so als gehörten sie gar nicht zu mir oder wären um Jahre gealtert, während ich geschlafen habe. Der Boden auf dem ich mehr lag als saß war dumpf und wenn die Stimme mit mir sprach, hallte sie von keiner Wand wieder, daher nahm ich an, dass der Ort an dem ich hier war, sehr klein war.

Hielt mich diese Person, die dort mit mir sprach gefangen? War ich hier gefangen, vielleicht sogar entführt worden und wurde dabei verletzt?

Meine Lieder fühlten sich so schwer an und der Schlaf übermannte mich wieder, bevor ich weiter darüber nachdenken konnte.

Als ich das nächste Mal erwachte, hatte sich nichts verändert. Noch immer war es dunkel und wieder war das erste, das ich fühlte die Unbeweglichkeit meines Körpers und die Anwesenheit einer anderen Person, sehr nah bei mir.

“Weißt du Ben, ich habe sehr lange hier auf dich gewartet. Ich habe mich nach dir verzehrt. Und endlich bist du hier hergekommen, zu mir. Endlich sind wir zwei zusammen.”, etwas in mir sträubte sich bei diesen Worten. Die Stimme war mir so nah, dass ich den Atem der anderen Person auf meiner Haut hätte spüren müssen, an meiner Wange und an dem Ohr, in das sie sprach, “Hör zu.”, es war ein mit leiser Stimme ausgesprochener Befehl und wie hätte ich mich dem widersetzen können, “Hörst du zu? Gut. Du bist hier bei mir, wo du hingehörst, hast du mich verstanden. Du bist hier in meiner kleinen Welt. Und hier mache ich die Regeln, ja? Hast du mich gehört? Ob du mich gehört hast?!”

Ein kurzes Schweigen trat ein, ich wollte nicken, Angst stieg in mir hoch, die Straße kam mir vor meinem geistigen Auge wieder in den Sinn, dazu das Licht und die dunkle Person, Gefahr! War ich wirklich entführt worden? Nein, so etwas passierte doch nicht wirklich.

Langsam begann ich etwas zu verstehen. Dies war auf keinen Fall ein Raum, der mir freundlich gesinnt war, wo immer er auch war und diese Person, die mit mir hier war, hatte mich gefangen. Endlich gefangen, wie sie sagte. War sie schon lange hinter mir her gewesen? Aber warum?

Mir wurde wieder schummerig zu Mute, die ganze Zeit schon trübte immer wieder ein Rauschen mein Bewusstsein. Dieses Rauschen und von ganz ganz weit weg ein stetes Piepsen, Peeep Peeep Peeep, immer im gleichen Rhythmus, ohne Unterlass. Es bedeutete Leben und Licht. Irgendwo da draußen war das Licht.

Aber ich war hier drinnen und das nun schon seit gefühlt einigen Tagen. Die Regeln der Person, die Herr über mich geworden war, waren sehr einfach, denn im Wesentlichen bestanden sie nur aus einem einfachen Mantra, “Bleib wo du bist und bewege deinen Körper nicht.”

Dazu war ich ohnehin nach wie vor nicht in der Lage, der sengende Schmerz beherrschte meine Glieder und jeder Versuch mehr als ein Stöhnen über die Lippen zu bringen oder auch nur zu blinzeln blendete meine Sinne mit Schmerz.

Die Person war immer da, wenn ich wach war, meistens war sie mir sehr nahe, ohne mich dabei zu berühren. Sie berührte mich nie, tat mir weder Gewalt an, noch sprach sie mit mir.

Sie sagte mir nicht, was sie von mir wollte oder von jemand anderem, erzählte mir nicht, warum ich hier war und wie wir zueinander standen. Scheinbar war sie schon damit zufriedengestellt, dass ich hier war. Und ich zermarterte mir den Kopf darüber, wer sie war und woher ich diese Stimme kannte. Woher sie mich kannte und was sie hier von mir wollte. Und ob niemandem mein Fehlen aufgefallen war, ob man mich nicht suchte. Ob die Nachrichten nicht voll waren von Vermisstenmeldungen und Aufrufen zur Suche dieses jungen Mannes, der scheinbar über Nacht vom Erdboden verschluckt worden war.

Man würde mich doch finden oder? Ich konnte doch nicht mein ganzes Leben hier verbringen. Was wäre das für ein Leben. Ein Leben ohne Stimme, nur mit Schmerz in der Dunkelheit. Wie schwer war ich verletzt und musste man nichts dagegen tun?

Ich hatte so viele Fragen, aber nie die Kraft, sie zu stellen, ich war einsam und verwirrt und hatte Angst.

Aber die meiste Zeit der Gefangenschaft verschlief ich. Ich war so unendlich müde, ob nun vor körperlicher Schwäche oder vor Sorge wusste ich nicht. Vielleicht auch beides. Zu Essen oder zu Trinken bekam ich nie etwas und trotzdem spürte ich weder Hunger, noch Durst. Eigentlich seltsam.

Was brachte es, die Augen offen zu halten, wenn man ohnehin nichts sah. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren und die Beschaffenheit der Dunkelheit dieses Raumes hatte sich nicht verändert, seit ich das erste Mal hier drin erwacht war. Die Dunkelheit war eine neue Konstante geworden, zusammen mit meiner schwäche, dem Schmerz und dem kontinuierlichen Peeep Peeep Peeep im dumpfen, dämmrigen Hintergrund.

“Mutter, kann Ben bald wieder mit uns nach Hause kommen?”, das erste Mal seit ich hier war drang eine andere Stimme an mein Bewusstsein, es war die Stimme eines Mädchens, es klang weinerlich und jung. Es klang wie meine Schwester, ich riss die Augen auf. Dunkelheit schlug mir entgegen, alles war wie immer. Aber da war sie wieder, die Stimme des Mädchens, doch sie schien so weit weit weg, kam von draußen, klang dumpf und unwirklich, “Er kommt doch wieder zu uns zurück oder? Er fehlt mir so.”, eine Hand berührte meine, eine warme, fürsorgliche Hand, ich  wollte danach greifen, aber meine Finger bewegten sich kaum und glitten durch sie hindurch wie Wasser durch ein Sieb. Es war, als versuchte ich nach Nebel zu greifen und der Kopfschmerz setzte wieder ein. Die Stimme verschwand.

“Ich sagte doch du sollst dich nicht bewegen.”, zischte eine andere Stimme an mein Ohr, da war sie wieder, die Stimme, die hier her gehörte, “Hast du sie gehört, wie sie reden? Seit Tagen reden sie so, stellen immer die gleichen Fragen. Wie sie über dich reden, obwohl du doch hier bist. Obwohl du doch bei mir bist. Sie sollen nicht über dich reden, als würdest du noch zu ihnen gehören, denn du gehörst nur zu mir.”

Ich kniff die Augen zusammen und begann zu zittern, das erste Mal seit gefühlt Tagen sprach die Person mit mir und klang verzweifelt bei dem, was sie sagte, verzweifelt und grausam und zu allem fähig.

“Sie werden dich nicht bekommen, sie werden dich hier nicht finden, niemand wird dich finden, du bist bei mir!”, ein Lachen erhob sich, kalt und grausam und mit so wenig Freude darin, dass eine Gänsehaut über meine Arme kroch. Wie lange war ich jetzt schon hier? Wie lange fragten sich die Menschen dort draußen schon, wo ich war.

Und ob ich zurück kam. Mit einem Mal begann ich zu verstehen und die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag in den Magen. Mein Bewusstsein dämmerte wieder dahin, aber ich glaube ich wusste, wo ich war und wer da bei mir war. Wer mich hier gefangen hielt und auf mich aufpasste. Wer mich auf der Grenze zum Leben hielt obwohl der Schmerz in meinem Körper und der Geschmack in meinem Mund nur nach dem Tod schrie.

Mir fielen die Augen zu.

Wieder waren Tage vergangen, seit ich das letzte Mal bei Bewusstsein gewesen war, zumindest kam es mir so vor. Hier drin gab es weder Tag noch Nacht und jede Stunde konnte auch eine Sekunde, eine Woche oder ein Jahr gedauert haben. Unruhe riss mich aus meiner Trance und ich schlug die Augen auf.

Altbekannte Dunkelheit umfing mich, aber etwas hatte sich verändert. Panik lag in der Luft und ich sah ihn, weit weit weg, noch sehr weit weg, aber da war ein Licht.

“Nein, nein nein!”, die Stimme klang panisch, verzweifelt und ängstlich, hilflos, “Jetzt nehmen sie dich mir doch wieder weg. Hörst du, sie werden dich mir wegnehmen. Du darfst nicht wieder gehen, du darfst mich nicht verlassen. Bitte nicht verlassen...”, die Stimme verschwamm im Nebel.

Ach wie schön, dachte ich und schloss die Augen. Zu mehr war ich nicht mehr fähig. Endlich war es vorbei. Ich wurde befreit. Befreit aus mir selbst und aus meinem Schlaf. Befreit aus dem Körper, der mein Gefängnis war, befreit aus diesem widerlich unnützen, toten Hirn.

Heute haben sie die Maschinen abgestellt.


Fuchs [ghostread]

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